Ursache für aggressive Kinderleukämie geklärt

Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Robert Slany am Lehrstuhl für Genetik der Universität Erlangen-Nürnberg hat die allzu hohe Produktionsgeschwindigkeit als Ursache einer gefährlichen Blutkrebserkrankung bestimmt und beobachtet, wie und wo die dafür verantwortlichen Eiweißmoleküle ansetzen.

Während die Behandlung von Blutkrebs (Leukämie) im frühen Kindesalter eine Erfolgsgeschichte der modernen Medizin darstellt und inzwischen Heilungsraten von nahezu 90 Prozent erreicht werden, gibt es leider immer noch einen Subtyp der Leukämie, vor allem bei Kleinkindern, der sich einer effizienten Behandlung entzieht. Die so genannte „mixed lineage leukemia“ ist dadurch gekennzeichnet, dass in den betroffenen Zellen das Chromosom 11 zunächst zerbricht und daraufhin mit anderen Chromosomen „falsch“ verheilt. Durch diese unnatürliche Kombination verschmelzen verschiedene Gene miteinander, und in der Zelle wird nach deren „Bauplan“ ein Fusionseiweiß produziert, das Leukämie auslöst.

Zum ersten Mal konnte die Arbeitsgruppe an der Naturwissenschaftlichen Fakultät in Erlangen jetzt die biologische Funktion eines solchen Fusionsproteins aufklären.*) Durch die fehlerhafte Verknüpfung zweier – normalerweise getrennt vorliegender – Eiweißmoleküle entstehen „Beschleunigerpro­teine“, die dazu führen, dass bestimmte, für die Blutzellentwicklung nötige Gene viel schneller als gewöhnlich abgelesen werden.

Wie bei einer Fließbandherstellung, die in zu hohem Takt abläuft, kommt es dadurch zu einer Überproduktion der entsprechenden Genprodukte. Eigentlich müssten die beteiligten Gene abgeschaltet werden, um die Entwicklung von reifen, funktionellen Blutzellen zu ermöglichen, doch in den Leukämiezellen arbeiten diese Gene einfach weiter. Dadurch wird die Zellreifung blockiert. Die betroffenen Zellen werden in einem frühen Entwicklungszustand künstlich festgehalten, in dem sie sich unkontrolliert vermehren können.

Mit der Aufklärung der an diesen Prozessen beteiligten Moleküle eröffnet sich nun auch die Möglichkeit, nach geeigneten Hemmstoffen dieser Proteine zu suchen, um die Taktrate des „Genfließbandes“ wieder auf ein Normalmaß zu reduzieren. Erste Kandidaten für solche „Genbremsen“ wurden in der Arbeitsgruppe von Prof. Slany bereits identifiziert und werden derzeit auf ihre Verwendbarkeit in der Leukämie-Therapie untersucht.

*) Mueller D, Garcia-Cuellar M-P, Bach C, Buhl S, Maethner E, et al. (2009) Misguided Transcriptional Elongation Causes Mixed Lineage Leukemia. PloS Biol 7(11): e1000249. doi:10.1371/journal.pbio.1000249

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Robert Slany
Tel.: 09131/85-28527
rslany@biologie.uni-erlangen.de

Media Contact

Sandra Kurze idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-erlangen.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer