Tumorzellen legen Immunsystem lahm

Prof. Dr. Robert Zeiser, Oberarzt und Leiter der Sektion für Tumorimmunologie an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg DKFZ/Uwe Anspach

Dass Krebserkrankungen von einer Schwäche des Immunsystems profitiert, ist seit längerem bekannt. Je weniger effektiv Immunzellen arbeiten, desto leichter können sich Tumorzellen bilden und verbreiten. Bislang war jedoch unklar, wie Tumorzellen selbst dazu beitragen, das Immunsystem lahmzulegen.

Eine internationale Forschergruppe um Prof. Dr. Robert Zeiser, Oberarzt und Leiter der Sektion für Tumorimmunologie an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg, konnte nun zeigen, dass dafür eine spezifische Genmutation verantwortlich ist.

Diese Mutation führt zur unkontrollierten Vermehrung von Zellen und schwächt gleichzeitig Stoffwechsel und Zellaktivität von T-Immunzellen, so dass diese die Tumorzellen weniger gut attackieren können. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscherinnen und Forscher am 21. Februar 2018 in der renommierten Fachzeitschrift Science Translational Medicine.

Die Tumorspezialisten untersuchten zunächst eine Genmutation, die bekanntlich für eine Reihe seltener, bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks verantwortlich ist. Bei diesen sogenannten myeloproliferativen Neoplasien (MPN) ist ein Molekül verändert, das die Zellteilung reguliert. Aufgrund der Mutation kann das Molekül JAK2 bei den Patienten nicht mehr ausgeschaltet werden und die betroffenen Zellen beginnen, sich ungebremst zu teilen – es kommt zur Krebserkrankung.

Die Wissenschaftler untersuchten in Zellkulturen und im Mausmodell die Auswirkung der Mutation auf das Immunsystem. „Wir wussten, dass JAK2 in der Nähe eines Gens liegt, das die Immunabwehr hemmt. Darum haben wir die Auswirkungen der Mutation auf das Immunsystem unter die Lupe genommen“, sagt Prof. Zeiser. Im Labor konnten Alessandro Prestipino und Alica Emhardt, Doktoranden in Prof. Zeisers Arbeitsgruppe und Erstautoren der Studie, zeigen, dass in Zellen mit überaktivem JAK2 auch das Molekül Programmed death ligand-1 (PD-L1) verstärkt vorhanden war.

Dieses verteilt sich im gesamten Blutkreislauf und hemmt Stoffwechsel und Zellteilung der T-Immunzellen. Folglich konnten diese Immunzellen weniger effektiv gegen die Tumorzellen vorgehen. „Die für die Tumorentstehung verantwortliche Mutation legt gleichzeitig das Immunsystem lahm und begünstigt so die Ausbreitung der Tumorzellen“, fasst Prof. Zeiser die Erkenntnisse der Forscher zusammen.

Der neu entdeckte Mechanismus liefert einen vielversprechenden Ansatzpunkt zur Entwicklung wirksamer Therapien für MPN-Patienten. „Wir hoffen, dass eine medikamentöse Senkung der PD-L1-Aktivität das Immunsystem bei der Bekämpfung des Tumors entscheidend unterstützen kann“, sagt Zeiser. Bei einem ersten Patienten zeigte die Behandlung mit PD-1-Antikörpern, die bereits für die Behandlung anderer Krebserkrankungen zugelassen sind, gute Ergebnisse. In einer klinischen Studie soll nun in den USA überprüft werden, wie eine große Zahl von MPN-Patienten auf die Behandlung reagiert.

Titel der Original-Studie: Oncogenic JAK2V617F causes PD-L1 expression, mediating immune escape in myeloproliferative neoplasms
DOI: 10.1126/scitranslmed.aam7729
Link zur Studie: http://stm.sciencemag.org/content/10/429/eaam7729

Kontakt:
Prof. Dr. Robert Zeiser
Leiter der Sektion für Tumorimmunologie
Klinik für Innere Medizin I
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-34010
robert.zeiser@uniklinik-freiburg.de

http://stm.sciencemag.org/content/10/429/eaam7729

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