Tumororthopädie: UKM-Mediziner entwickelt weltweit erstes Labormodell für Riesenzelltumoren des Knochens

Zum weltweit ersten Mal ist es an der Klinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie des Universitätsklinikums Münster (UKM) gelungen, ein Labormodell für Riesenzelltumoren des Knochens zu entwickeln.

Der Mediziner Dr. Maurice Balke nutzte dazu das Gewebe von speziell präparierten Hühnereiern zur Entwicklung des Labormodells. „Mit diesem zukunftsweisenden Modell ist jetzt erstmals möglich, die biologischen Grundlagen der Riesenzelltumoren auf diesem Weg im Labor zu erforschen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

Ein Schwerpunkt wird dabei sicher die Entwicklung und Prüfung neuer Medikamente sein, ohne dass hierfür Tierversuche nötig sind“, bewertet Prof. Dr. Georg Gosheger den Erfolg, den er als „bahnbrechend“ beschreibt. Bislang sind die zugrunde liegenden Mechanismen bei dieser Art der Tumorentwicklung, insbesondere der Metastasenentstehung, nur sehr wenig bekannt. Das werde sich nun ändern.

Dr. Balke gelang es in zweieinhalb Jahren intensiver Forschungsarbeit, das Tumorgewebe in der Membran speziell präparierter Hühnereier zum Wachstum zu bringen, und so die Grundlage für das biologische Labormodell der Riesenzelltumoren zu entwickeln. Dr. Balke: „Bisher war es nicht möglich, diese Tumoren, etwa in Zellkulturen, anzuzüchten und sie dadurch zu erforschen.“ Die so genannte Chorioallantois-Membran des Hühnereis ist seit vielen Jahren ein gängiges Labormodell besonders zur Untersuchung der Gefäßentwicklung. Für Knochentumoren wurde dieses Modell bislang jedoch nicht eingesetzt.

Ein Grund für den jetzigen Erfolg lag sicher in der engen Zusammenarbeit mit den Instituten am UKM, aber auch mit verschiedenen Kooperationspartnern in ganz Europa. Zu den Kooperationspartnern zählen die Abteilung „Molekulare Pathologie“ des Gerhard-Domagk-Institutes für Pathologie am UKM, das auf Gefäßentwicklung spezialisierte INSERM-Forschungslabor der Universität Bordeaux in Frankreich, die Abteilung für Pathologie an der Universität Leiden in den Niederlanden und die Abteilung für Pathologie der Universität Oxford in England. Unterstützt wird die Arbeit zudem durch „EuroBoNeT“, ein von der Europäischen Kommission gefördertes „Network of Excellence“ zur Erforschung der pathologischen und genetischen Grundlagen von Knochentumoren.

Prof. Gosheger: „Riesenzelltumoren des Knochens sind meist gutartige, aber lokal sehr aggressiv wachsende Tumoren, charakterisiert durch wachsende Zerstörung des Knochens und leider hohe Rückfall-Raten. In einigen Fällen muss der Tumor großflächig operativ entfernt werden. Dies hat den Einsatz spezieller Prothesen zur Folge. Die Fortentwicklung z.B. von speziellen Wachstumsprothesen zählt daher zu den Schwerpunkten unserer Klinik. Gleichzeitig wollen wir aber auch andere Therapieoptionen erforschen. Hier ist uns nun ein gewaltiger Schritt gelungen.“ Die Klinik für Orthopädie und Tumororthopädie am UKM zählt zu den größten Tumorzentren dieser Art in Europa.

Die Arbeit an der Entwicklung des neuen Modells erfolgte in mehreren Schritten. Dr. Balke: „Die übliche Behandlung von Patienten mit Riesenzelltumoren des Knochens besteht aus einer operativen Entfernung des Tumors. Von dem entfernten Gewebe wird, natürlich nur mit Einverständnis und ausführlicher Information der Patienten, ein kleiner Teil direkt in der Abteilung für Molekulare Pathologie verarbeitet, so dass es in die zuvor vorbereiteten befruchteten Hühnereier implantiert werden kann. Dort wachsen die Tumoren dann auf der Gefäßmembran und können während des Wachstumsprozesses untersucht werden. Nach ca. einer Woche Wachstum folgen dann weitere Untersuchungen des Gewebes. Zu diesen Zwecken werden Proben unter anderem an verschiedene Labore in Leiden, Bordeaux und Oxford geschickt. Der nächste Schritt ist dann der Test von Medikamenten an diesen Proben im Labor – und das sicher schon in naher Zukunft.“

Für seinen Erfolg wurde Dr. Maurice Balke bereits ausgezeichnet: Im Mai erhielt er von der „European Musculo-Skeletal Oncology Society“ (EMSOS) den Europapreis für die beste wissenschaftliche Arbeit in der Grundlagenforschung zur Behandlung von Tumoren des Bewegungsapparates.

„Unser Ziel ist es, erstklassige Patientenversorgung zu bieten und durch zielgerichtete Forschung diese Versorgung auch permanent auszubauen. Mit der Arbeit von Dr. Balke eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten, von denen zukünftig auch unsere Patienten profitieren werden“, betont Prof. Gosheger.

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Simone Hoffmann idw

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