Tonminerale helfen chronisch Nierenkranken

Der neue Wirkstoff für chronisch Nierenkranke basiert auf dem natürlich vorkommenden Friedländer Ton, der hier als Rohmaterial zu sehen ist. © FIM Biotech GmbH<br>

Frau M. verbringt etwa 15 Stunden pro Woche im Krankenhaus – sie ist Dialysepatientin. Ihre Nieren funktionieren nur noch eingeschränkt, sie filtern Giftstoffe nicht mehr aus dem Blut. Die Dialyse muss die Blutwäsche künstlich übernehmen. Durch die Therapie ist Frau M. in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt. Dreimal pro Woche fährt sie in die Klinik. Ein mehrtägiger Urlaub ist nur mit großem Aufwand möglich.

So wie ihr geht es vielen: Über sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer chronischen Nierenerkrankung. Davon sind etwa 70 000 dialysepflichtig. Jährlich kommen etwa 15 000 neue Dialysepatienten hinzu. Weltweit steigt die Zahl chronisch Nierenkranker wegen falscher Ernährung und Überalterung der Gesellschaft stark. Größte Risikofaktoren für Nierenversagen sind Bluthochdruck und Diabetes.

Die Betroffenen können Phosphate nicht mehr in ausreichenden Mengen ausscheiden, der Phosphatspiegel im Blut erhöht sich. In der Folge lagert sich Kalziumphosphat in den Gefäßen ab, was langfristig zu Herzerkrankungen und zum vorzeitigen Tod führen kann. Menschen mit geschädigter Nierenfunktion haben gegenüber Gesunden ein mindestens zehnfach erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Chronisch niereninsuffiziente Patienten sollten daher zu den Mahlzeiten Phosphatbinder einnehmen, die das Phosphat aus der Nahrung im Darm und im Magen binden, sodass es nicht ins Blut aufgenommen, sondern unverdaut ausgeschieden werden kann. Das Problem: Die erhältlichen Medikamente wie Kalzium- und Aluminiumsalze verursachen beträchtliche Nebenwirkungen wie Verstopfung, einen erhöhten Kalziumspiegel im Blut und neurologische Störungen.

Schonende Alternative zu Pharmapräparaten

Doch chronisch kranke Nierenpatienten dürfen hoffen: Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Rostock haben gemeinsam mit der FIM Biotech GmbH einen effektiven, gut verträglichen Wirkstoff entwickelt. Er basiert auf Friedländer Ton aus Mecklenburg-Vorpommern – Tonmineralen, die vor 60 Millionen Jahren durch Meeresablagerungen von Vulkanasche entstanden sind. Um den Arzneistoff herstellen zu können, wurde die Tonerde zunächst gereinigt und anschließend mit einem speziellen Verfahren technisch bearbeitet und veredelt.

In Labortests und Versuchen mit Zellkulturen konnten die Kooperationspartner die hohe Bindekapazität für Phosphat und die gute Verträglichkeit des Tonminerals nachweisen. »Der aus rein mineralogischen Rohstoffen gewonnene Phosphatbinder ist ebenso wirksam wie herkömmliche Pharmapräparate. Er kann den bei Nierenkranken hohen Phosphatspiegel senken. Unsere Tests zeigen, dass er anders als die üblichen Medikamente in Versuchen im Tiermodell nur geringe Nebenwirkungen hervorruft«, sagt Prof. Dr. Steffen Mitzner, Leiter der Rostocker Arbeitsgruppe Extrakorporale Immunmodulation und Professor für Nephrologie an der Universitätsklinik Rostock. Zudem vermuten die Forscher, dass sich auch entzündliche Darmerkrankungen mit dem veredelten Naturrohstoff behandeln lassen. Derzeit untersuchen sie im Tiermodell, in welchem Umfang die Tonminerale den Verlauf von künstlich ausgelösten Entzündungen positiv beeinflussen können.

Die Forscher und die FIM Biotech GmbH haben den Wirkstoff und das Veredelungsverfahren zum Patent angemeldet. Die tierexperimentellen Untersuchungen sollen Ende 2013 abgeschlossen sein. Die Wissenschaftler gehen davon aus, mit den klinischen Studien im Frühjahr 2014 beginnen zu können. Erste Patienten könnten bereits dann von dem neuen Wirkstoff profitieren.

Media Contact

Prof. Dr. Steffen Mitzner Fraunhofer Forschung Kompakt

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