Therapie verändert das Gehirn – Neuropsychologische Grundlagen des gestörten Körperbildes bei Essstörungen

Diese Verzerrung spiegelt sich in den Hirnfunktionen wider und kann durch Körperbildtherapie nachweislich verändert werden. Darüber berichtet RUBIN, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum, in seiner aktuellen Ausgabe.

Der eigene Körper im Zerrspiegel

„Ich bin zu dick“ ist das Urteil von Patientinnen mit Essstörungen beim Blick in den Spiegel, auch wenn sie oft objektiv untergewichtig sind. Eine verzerrte Körperwahrnehmung ist Risiko- und aufrechterhaltender Faktor von Essstörungen wie Magersucht (Anorexie) und Ess-Brech-Sucht (Bulimie). Diese Verzerrung spiegelt sich in den Hirnfunktionen wider und kann durch Körperbildtherapie nachweislich verändert werden. Darüber berichtet RUBIN, das Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum, in seiner aktuellen Ausgabe.

Essgestörte und Gesunde im Kernspintomografen

„Die große Bedeutung des gestörten Körperbilds wurde in der Therapie von Essstörungen lange vernachlässigt“, sagt Dr. Silja Vocks. Sie hat eine Gruppentherapie entwickelt, die hilft, das Verhältnis zum eigenen Körper wieder zu normalisieren, ihn immer weniger als Feind zu begreifen. Die Therapie funktioniert – worauf beruht aber das verfälschte Selbstbild bei Essgestörten? Was ist der neuropsychologische Hintergrund? Was verändert die Therapie? Diese Grundlagen haben Vocks und der Neuropsychologe Dr. Boris Suchan nun in einer weiteren Studie ergründet. Sie untersuchten 13 Magersüchtige und 15 Bulimikerinnen im Kernspintomografen vor und nach der Therapie, bzw. einige Patientinnen zur Kontrolle nach einer Wartezeit ohne Therapie. Dazu untersuchten sie 27 gesunde Kontrollpersonen. Während der Kernspintomografie wurden den Patientinnen verschiedene Bilder gezeigt: zum einen Darstellungen von menschlichen Körpern im Wechsel mit Bildern von Gegenständen. So konnten die Forscher gezielt die Hirnregionen identifizieren, die bei der Verarbeitung von Körperbildern besonders aktiv sind. Zum anderen wurden die Probandinnen mit Fotoserien konfrontiert, die ihren eigenen und einen fremden Frauenkörper aus verschiedenen Standardperspektiven zeigten.

Unterschiede in der Hirnstruktur und -aktivierung

Bei der Auswertung der kernspintomografischen Aufnahmen machten die Forscher eine überraschende Entdeckung: In der für die Verarbeitung von Körperbildern zuständigen Hirnregion war bei Essgestörten die graue Substanz deutlich vermindert. Die betreffende Hirnregion (Extrastriate Body Area, EBA) wurde vor etwa fünf Jahren erstmals beschrieben. Und nach der Therapie zeigte sich darin ein Unterschied: Bei Anorexie-Patientinnen hatte sich die Aktivierung der Extrastriate Body Area sowohl in der rechten als auch in der linken Hemisphäre durch die Therapie erhöht. Auch die Aktivierungsmuster des Gehirns bei Betrachtung des eigenen Körpers unterschied sich zwischen essgestörten und gesunden Personen – ein Hinweis auf die Gefühlslage bei Betrachtung des eigenen Körpers und auf die Strategie, mit dem eigenen Bild umzugehen.

Themen in RUBIN 1/2009

Den gesamten Beitrag lesen Sie in RUBIN 1/2009, wo Sie folgende Themen finden: Schwerpunkt Astronomie: Tiefer blicken ins Weltall, Sternenromantik via Internet, Die Sonne im Container, Geschützte Welt; Ingenieurwissenschaften: Forschungsstation Neumayer III – Sturmwinter in der Antarktis; Facetten: Transnationale Migrantenorganisationen – Die Stärke schwacher Bindungen, Wasser und Proteine – Wer führt im Terahertz-Tanz, Essstörungen – Der eigene Körper im Zerrspiegel, Lärmmindernder Asphalt – Winzige Schluchten schlucken den Schall, Verständlich schreiben – Keine Ausreden für angestaubtes Amtsdeutsch, Forscher üben den Umgang mit den Medien – Science goes Public. RUBIN ist in der Pressestelle der RUB, UV 3/368, Tel. 0234/32-22830 erhältlich und steht im Internet unter http://www.rub.de/rubin

Weitere Informationen

PD Dr. Silja Vocks, Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, GAFO 03/924, Tel. 0234/32-23106, E-Mail: vocks@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de

Redaktion: Meike Drießen

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