Sprachmelodie verrät beste Therapie für Depression

Alle unterschwelligen Emotionen, die ein Sprecher seinen Zuhörern über Tonhöhe oder Lautstärke mitteilt, werden in einem stimmsensitiven Teil des Schläfenlappens im Gehirn verarbeitet.

Zu diesem Schluss kommt die Medizinerin Sarah Wiethoff von der Uniklinik Tübingen in ihrer Dissertation, die auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) den Promotionspreis für Psychiatrie und Psychotherapie erhielt. Die Erkenntnisse könnten dabei helfen, im Vorfeld die jeweils beste Therapie bei Depressionen zu ermitteln.

Obwohl man ihr wenig Aufmerksamkeit schenkt, steigt die Bedeutung der Sprachmelodie ständig. „Wir kommunizieren immer mehr über Telefon und Handy, wobei visuelle Aspekte wie Mimik und Gestik wegfallen. Um nicht ausgesprochene Vorhaben eines Sprechers abzulesen, entscheidet somit die Intonation der Sprache“, erklärt Wiethoff im pressetext-Interview. Je emotionaler Menschen reden, desto stärker bedienen sie sich dieses nicht-semantischen Kanals der Sprache, der besonders über Lautstärke, Tonhöhe und Dauer des Gesprochenen gesteuert wird.

Psychisch Kranke erkennen Tonfall nicht

Doch nicht jeder versteht, was der Tonfall sagen will. „Bei vielen psychischen Erkrankungen wie etwa Depressionen sind Menschen nicht in der Lage, die Sprachmelodie richtig zu erkennen wie auch selbst einzusetzen. Sie realisieren nicht, dass das Gegenüber beispielsweise verärgert ist, wodurch sich ernste Missverständnisse ergeben können. Das verschlechtert die Kommunikation, kann Isolation zuspitzen und somit die Krankheit verschlimmern“, so Wiethoff. Andererseits sei die Fähigkeit, Sprachmelodie zu verstehen und selbst zu modulieren, ein gutes Anzeichen für psychische Gesundheit.

Warum es psychisch Kranken weniger gut gelingt, richtig mit der Sprachmelodie umzugehen, ist bisher noch nicht vollständig geklärt. „Man geht davon aus, dass ihre Modulationsfähigkeit der Stimmung gestört ist, wodurch sie über die Intonation mitgeteilte Botschaften schlechter empfangen und viel eher in starren Kommunikationsmustern verharren“, berichtet die Tübinger Medizinerin. Zurückgehen könne dies auf eine fehlende Regulation des Gehirns von Neurotransmittern, die bei der Depression auch zur trüben Stimmung beitragen.

Vorteil für die Therapieplanung

Um die Verarbeitung der Sprachmelodie im Gehirn zu testen, spielte Wiethoff psychisch gesunden Versuchspersonen semantisch neutrale Sprachbeispiele in emotional gesprochenem Ton vor – mit ängstlicher, ärgerlicher, freudiger und erotischer Sprachmelodie. Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) zeigte, dass es neben dem stimmsensitiven Teil des autidorischen Kortex ein weiteres gemeinsames Detektorareal für alle überprüften Emotionen gibt. Beheimatet ist es in der Amygdala, einem auch als „Mandelkern“ bezeichneten Teil des Temporallappens des Gehirns.

Nützlich könnten diese Ergebnisse bei der Entscheidung der Behandlungsmethode bei Depressionen sein. „Es gibt erste Hinweise dafür, dass das mittels fMRT analysierte Aktivitätsmuster während der Verarbeitung emotionaler Sprachmelodie den Erfolg verschiedener Therapieansätze voraussagen kann. Eine fortdauernde Amygdalaaktivität, die nicht bei allen Patienten auffindbar ist, kann beispielsweise darauf hinweisen, dass dieser Patient besonders gut auf kognitive Verhaltenstherapie ansprechen wird“, so Wiethoff.

Der Einsatz von fMRT als Hilfsmittel in der Therapieplanung – welcher momentan noch absolute Zukunftsmusik sei – könne somit viele Patienten schneller der für sie richtigen Therapie zuführen. Überprüfen müsse man noch, ob ähnliche Prognosen in Zukunft auch bei Schizophrenie oder anderen psychischen Krankheiten möglich seien.

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Johannes Pernsteiner pressetext.deutschland

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