Saarländischer Arthrosespezialist entwickelt weltweit erstmalig Modell für das frühe Stadium der Arthrose

Professor Dr. Henning Madry Foto: Rüdiger Koop

Arthrose ist in einer stetig alternden Gesellschaft ein wachsendes Problem. Nach Ansicht von Fachleuten leiden alleine in Deutschland rund fünf Millionen Menschen an einer Schädigung des Gelenkknorpels, meist in den Händen, Hüften und Knien. Medizinische Behandlungen und Operationen schlagen dabei mit Milliardenkosten zu Buche.

Die überwiegende Mehrheit der Patientinnen und Patienten, 83 Prozent, leidet dabei an einer Kniegelenksarthrose. Ist der Gelenkknorpel im Knie einmal zu stark geschädigt, werden auch die darunterliegenden Knochen in Mitleidenschaft gezogen.

Schmerzen und eingeschränkte Bewegungsfreiheit sind die Folgen. Bisher gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Arthrose zu behandeln. Ein künstliches Kniegelenk ist eine dieser Möglichkeiten, die sehr kostspielig ist. Die Operation bedeutet allerdings eine große Belastung für die Betroffenen, und sie ist überdies für junge Patienten nur in Ausnahmefällen geeignet.

Dabei ist vielen häufig gar nicht bewusst, dass sie an einer Arthrose leiden. „Das ist ein schleichender Prozess“, sagt Henning Madry, Professor für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung an der Saar-Uni und Direktor des Zentrums für Experimentelle Orthopädie am Universitätsklinikum des Saarlandes.

„Irgendwann tut ihnen das Knie weh, ohne dass sie zuvor Schmerzen hatten. Dabei haben viele schon jahrelang Arthrose, ohne es zu merken“, erläutert der Wissenschaftler den Krankheitsverlauf. Kommen die Patienten dann zu ihm in die Klinik, ist die Krankheit oft schon in einem fortgeschrittenen Stadium.

Deshalb suchen Arthroseforscher und Orthopäden wie Henning Madry nach den Ursachen der Krankheit, um besser zu verstehen, wie sie überhaupt erst entstehen kann. Mit diesem tieferen Verständnis kann es dann gelingen, die Krankheit besser vorherzusagen und so einem Arthrosepatienten womöglich einen langen Leidensweg und größere Operationen zu ersparen.

Henning Madry und seinem Team ist es nun gelungen, die Kniegelenksarthrose im Frühstadium besser zu verstehen. Dabei hat er sich auf einen bereits bekannten Umstand gestützt: Arthrose entsteht fast immer, wenn der Meniskus des Knies geschädigt ist, wie zum Beispiel nach einem Sportunfall.

„Was man allerdings nicht weiß: Wie genau verläuft der Weg vom Meniskusschaden zu Schäden am Gelenkknorpel und damit zur Arthrose?“, fragt Professor Madry. „Aus klinischen Studien wissen wir, dass der Verlust des Gelenkknorpels nicht gleichmäßig, sondern hier und da unterschiedlich verläuft. Wie eine Wiese im Schnee, auf der der Schnee in der Sonne nicht gleichmäßig schmilzt, sondern hier und da noch etwas liegenbleibt, während wenig daneben alles weggeschmolzen ist“, vergleicht der Arthroseforscher.

Genau auf diese Frage konnte er nun experimentell eine Antwort finden und ein Modell entwickeln, das Forscher künftig heranziehen können, wenn sie den Krankheitsverlauf vorhersagen möchten. Dazu sind Henning Madry und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in drei Schritten vorgegangen. „Zuerst haben wir uns bei Patienten angeschaut, wo genau der Meniskusschaden ist. Dann haben wir den Knorpelschaden genau lokalisiert“, erläutert Henning Madry den ersten Schritt.

In einem zweiten Schritt haben die experimentellen Orthopäden die Kniegelenke von Schafen mit Arthrose untersucht, zuerst in einem frühen Stadium und dann in einem späten Stadium. „Hier konnten wir sehr genau im Knorpel und im Knochen nachschauen, was wann passiert im Verlauf der Krankheit“, so Henning Madry über diesen Schritt der Forschungsarbeit. Sie fanden unter anderem heraus, dass Knorpel- und Knochenabbau zuerst an der Stelle der Verletzung auftraten, bevor sie sich in der gesamten Kniegelenksregion ausbreiteten.

In einem dritten Schritt haben die Forscher wiederum Patienten mit schwerer Arthrose untersucht und mit der späten Verlaufsform der Schafs-Arthrose verglichen. „Wir haben dabei festgestellt, dass die menschlichen Arthrosen und die Arthrosen im Schafsmodell nach Meniskusschaden ganz ähnlich verlaufen“, erläutert Henning Madry. Mit den so erstellten hochauflösenden topographischen Karten des Krankheitsverlaufs kann genau die Pathologie der menschlichen Arthrose widergespiegelt werden. Dies ist der Beweis dafür, dass die beobachteten Verläufe bei den Schafen als Modell für die Entwicklung der Krankheit auch beim Menschen dienen können.

Diese Erkenntnisse zum räumlichen und zeitlichen Arthroseverlauf sind bisher weltweit einzigartig. Mit ihrer Studie, die Henning Madry und sein Team im Tochtermagazin des renommierten Fachblattes „Science“, Science Translational Medicine, veröffentlichen konnten, haben sie damit Arthroseforschern weltweit ein Werkzeug an die Hand gegeben, um weiter an den Ursachen der Krankheit zu forschen und für künftige Patienten bessere Therapie- und auch Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

Prof. Dr. Henning Madry
Tel.: (06841) 1624520 oder 1624569
E-Mail: henning.madry@uks.eu

Tamás Oláh, Jan Reinhard, Liang Gao, Sophie Haberkamp, Lars K. H. Goebel, Magali Cucchiarini, Henning Madry: Topographic modeling of early human osteoarthritis in sheep. ScienceTranslational Medicine, DOI: 10.1126/scitranslmed.aax6775.

https://stm.sciencemag.org/content/11/508/eaax6775

Informationen zur Arthrose bietet beispielsweise der Deutsche Arthrose-Hilfe e.V. unter www.arthrose.de

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Thorsten Mohr Universität des Saarlandes

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