Wenn der rote Blutfarbstoff knapp ist

Ein neues Informationsportal, das am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg entwickelt worden ist, kann Ärzte dabei unterstützen, Kinder mit seltenen Bluterkrankungen zu versorgen.

Professor Dr. Andreas Kulozik, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Pneumologie, hat seit 2007 eine Spezialsprechstunde für Kinder mit seltenen, nicht-bösartigen Bluterkrankungen eingerichtet. Die Zahl der im Heidelberger „Klinischen Beratungszentrum für Anämien“ versorgten Patienten ist deutlich angestiegen.

Unter den Kindern fanden sich auch zwei Fälle mit bisher unbekannten Erkrankungen, die erstmals in einer Publikation beschrieben worden sind. Die Dietmar Hopp Stiftung förderte das Projekt mit 320.000 Euro.

Nicht-bösartige Bluterkrankungen, z.B. die Sichelzellanämie oder die Thalassämie, waren in Deutschland bis vor 30 oder 40 Jahren sehr selten. Durch Einwanderer aus Gebieten, wo die Erkrankungen häufiger auftreten (Mittelmeerländer, Asien, Afrika, und andere), nahmen auch in Deutschland die Patientenzahlen zu. Geschätzt gibt es heute ca. 2.000-3.000 chronisch kranke Kinder, deren optimale Versorgung in vielen Regionen noch nicht gewährleistet ist.

Heidelberger Spezialsprechstunde für Hämoglobinkrankheiten

Bei den Patienten in der Heidelberger Spezialsprechstunde stehen die Erkrankungen des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin) im Vordergrund. Mit komplexen Therapie- und Präventivmaßnahmen bekommt man die Erkrankungen oft in den Griff. Manche Patienten bleiben aber ein Leben lang auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen. Die einzige Therapie, die dann noch Heilung verspricht, ist eine Knochenmarktransplantation. Eine besondere Herausforderung für die behandelnden Ärzte sind die häufig bestehenden Sprachbarrieren.

„Unser Ziel, eine verbesserte Versorgung dieser komplex erkrankten Kinder in der Rhein-Neckar-Region aufzubauen und ein Informationsportal für Ärzte zu schaffen haben wir erreicht“, sagt Professor Kulozik. „Zusätzlich ist eine über die Hämoglobinerkrankungen hinausgehende wissenschaftliche Vernetzungsstruktur entstanden, die medizinischen Fortschritt auf diesem wichtigen Gebiet erleichtert.“

Schwerer, aber behandelbarer Immundefekt

Im Zuge der steigenden Patientenzahlen und der zunehmenden Expertise haben die Kinderärzte einige wissenschaftlich interessante Befunde erhoben. So beschrieben sie eine bislang unbekannte Blutkrankheit des Kindesalters, die vor allem bei Patienten armenischer Herkunft auftritt und zu einem schweren und lebensbedrohlichen Immundefekt führt. Bei optimaler Behandlung können sich die betroffenen Kinder jedoch normal entwickeln. „Aufgrund der besonderen Befundkonstellation in der betroffenen Familie kamen wir auf die Idee, wie man diese Erkrankung in Zukunft vielleicht sogar heilen könnte“, erklärt Professor Kulozik und verweist auf anstehende Forschungsarbeiten.

In einem weiteren Fall der Heidelberger Sprechstunde stellte sich ein kurdisches Kind vor mit einer bis dahin ungeklärten, schweren Blutarmut und einem ebenso noch ungeklärten, schweren Entzündungssyndrom. Die behandelnden Ärzte führten beide Erscheinungen auf eine bislang unbekannte Erkrankung des Abbaus des roten Blutfarbstoffes zurück. „Anhand der Befunde haben wir eine zielgerichtete Behandlung ausgearbeitet, die sich am Entstehungsmechanismus der Erkrankung orientiert, und mit der sich das betroffene Kind aktuell gut entwickelt“, berichtet Professor Kulozik erfreut.

Weitere Informationen im Internet:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Beratungszentrum-fuer-Anaemien.103755.0.html
Literatur:
Boztug K, Appaswamy G, Ashikov A, Schaffer AA, Salzer U, Diestelhorst J, Germeshausen M, Brandes G, Lee-Gossler J, Noyan F, Gatzke AK, Minkov M, Greil J, Kratz C, Petropoulou T, Pellier I, Bellanne-Chantelot C, Rezaei N, Monkemoller K, Irani-Hakimeh N, Bakker H, Gerardy-Schahn R, Zeidler C, Grimbacher B, Welte K, Klein C. A Syndrome with congenital neutropenia and mutations in G6PC3. New Englang Journal of Medicine, 2009, 360: 32-43

Greil J, Verga-Falzacappa M, Tsukahara H, Behnisch W, Heimpel H, Schneider M, Janka G, Claus M, Muckenthaler M, Kulozik A. Activating Mutation of Heme Oxygenase (HO)-1: A novel disease entity characterized by microcytic, hemolytic anemia, a defect of bilirubin synthesis and hereditary hemophagocytic lymphohistiocytosis. Blood, 2007, 110: 235

Ansprechpartner:
Klinisches Beratungszentrum für Anämien
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Klinik für Kinderheilkunde III
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 430
69120 Heidelberg
Sprechstunde: Mo-Fr 8-15.30 Uhr
Terminvereinbarung: 06221 /56 83 81
Professor Dr. Andreas Kulozik
Ärztlicher Direktor
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Klinik für Kinderheilkunde III
Im Neuenheimer Feld 430
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 23 03
Fax: 06221 / 56 45 59
E-Mail: Andreas.Kulozik@med.uni-heidelberg.de
Dietmar Hopp Stiftung:
Die Dietmar Hopp Stiftung wurde 1995 gegründet, um die Umsetzung gemeinnütziger Projekte in den Bereichen Sport, Bildung, Soziales und Medizin zu ermöglichen. Ihr Vermögen besteht aus SAP-Aktien, die Dietmar Hopp aus seinem privaten Besitz eingebracht hat. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung, die zu den größten Europas zählt, fast 200 Millionen Euro ausgeschüttet (Stand Dez 2008). Der Schwerpunkt des Förderprogramms liegt in der Metropolregion Rhein-Neckar, mit der sich der Stifter besonders verbunden fühlt. Die Dietmar Hopp Stiftung ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und in der Sportregion Rhein-Neckar e.V. Anträge aus den jeweiligen Bereichen nimmt die Geschäftsstelle in St. Leon-Rot entgegen. Die Förderkriterien können auf den Internetseiten der Stiftung heruntergeladen werden. www.dietmar-hopp-stiftung.de
Dietmar Hopp Stiftung
Raiffeisenring 51
68789 St. Leon-Rot
Tel.: 06227-8608550
Fax: 06227-8608571
Email: info@dietmar-hopp-stiftung.de
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 45 36
Fax: 06221 / 56 45 44
E-Mail: annette.tuffs(at)med.uni-heidelberg.de

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Dr. Annette Tuffs idw

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de

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