Röteln – das unterschätzte Risiko

Die Röteln sind eine Kinderkrankheit, die das Prädikat „harmlos“ wirklich verdient. Wird ein Kind mit ihnen angesteckt, verläuft die Infektion in jedem dritten Fall sogar völlig ohne Symptome und die Ansteckung bleibt unerkannt.

Bei den übrigen tritt höchstens ein bisschen Fieber auf, aber meist nicht über 38 Grad. Auch der Ausschlag ist meist schon nach drei Tagen vorbei und vergessen. Dennoch empfiehlt die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut Berlin, möglichst alle Kinder gegen die leichte Kinderkrankheit zu impfen. Muss das wirklich sein?

„Ja, das muss sein!“, stellt die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck fest. Der Sinn der Impfempfehlung liegt nämlich weniger darin, den Kindern oder Heranwachsenden die harmlose Krankheit zu ersparen. Mit Hilfe der Impfung soll vielmehr eine Gruppe von Menschen geschützt werden, für die eine Ansteckung mit Röteln keineswegs harmlos ist, sondern geradezu katastrophale Folgen haben kann: die ungeborenen Babys nämlich.

„Die Rötelnerkrankung einer Frau während der Schwangerschaft gehört noch immer zu den gefährlichsten Bedrohungen für das Ungeborene“, sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt an der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Die gesundheitlichen Folgen, die dabei für ein Kind entstehen können, sind Hirnschäden und geistige Behinderungen, Blindheit, Taubheit, Herzfehler, Leberentzündungen und Knochenveränderungen. Manchmal führen Röteln auch zu Fehl- oder Totgeburten“.

Welche Gefahren auch heute noch von Röteln ausgehen können, zeigt das Beispiel einer Rötelnepidemie in den Niederlanden (publiziert in Pediatr. Infect. Dis. J. 28(9) 795-800). Betroffen waren fast ausschließlich Mitglieder einer protestantischen Gemeinde, in der Impfungen generell abgelehnt werden.

Dort traten innerhalb eines Jahres insgesamt 387 Rötelnfälle auf, davon 98 Prozent bei nicht geimpften Personen. Angesteckt wurden dabei auch 33 nicht geimpfte Schwangere der Gemeinde.

Die schrecklichen Folgen: Zwei Babys kamen tot zur Welt. Von den 30 lebend geborenen Kindern litten elf unter den typischen Symptomen einer Röteln-Embryopathie. Alle elf Babys waren taub, sechs kamen mit Herzfehlern zur Welt, drei Kinder wiesen eine Mikrozephalie auf (darunter versteht man eine abnorme Kleinheit des Schädels). Bei sechs der elf Kinder wurde im weiteren Verlauf eine deutliche Verzögerung der Entwicklung registriert.

Die Impfung schützt zuverlässig
Mit Hilfe der Impfung gegen Röteln sind solche furchtbaren Schäden zuverlässig vermeidbar, betont die Stiftung Kindergesundheit. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass schon kleine Kinder konsequent geimpft werden, damit sie nicht als wandelnde Infektionsquellen eine gegen die Krankheit noch nicht geschützte Schwangere in der Familie oder in der Nachbarschaft mit Röteln anstecken können.

Werden Frauen schwanger, ohne gegen die Röteln geschützt zu sein, beginnt ein überaus riskantes Spiel mit der Gesundheit des Ungeborenen. Professor Dr. Berthold Koletzko: „Begegnet die Mutter jetzt einem rötelnkranken Kind oder Erwachsenen, zum Beispiel im Supermarkt, in einer Arztpraxis, bei ihrer Berufstätigkeit als Krankenschwester oder Lehrerin oder bringt ihr eigenes Kind oder das Kind der Nachbarn aus Kindergarten oder Schule die Röteln nach Hause, können die sonst so harmlosen Viren in den heranreifenden Organen des ungeborenen Babys verheerende Schäden anrichten. Das Tückische dabei: Über die Hälfte aller Infektionen mit Röteln verläuft ohne Ausschlag oder sogar gänzlich ohne Symptome. Die werdende Mutter weiß oft nicht, dass sie angesteckt worden ist“.

Das Risiko einer Schädigung des Babys im Mutterleib ist in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft besonders groß und liegt im ersten Monat bei 60 Prozent, im zweiten Schwangerschaftsmonat 25 Prozent und im dritten 15 Prozent. Dass bei einer späteren Ansteckung keine gravierenden Schäden mehr zu erwarten sind, liegt daran, dass nach dem vierten Monate die Entwicklung der Organe im Wesentlichen abgeschlossen ist.

Die Aufklärungs- und Impfkampagnen in den letzten Jahrzehnten haben bereits eine klare Wirkung gezeigt: Der Anteil der Frauen, die im fruchtbaren Alter keine Antikörper gegen die Rötelnviren im Blut haben, ist von etwa zwölf Prozent vor 30 Jahren auf zwei bis drei Prozent gesunken. Damit ist auch das Risiko für ungeborene Kinder, an einer schwerwiegenden Röteln-Embryopathie zu erkranken, kleiner geworden: In den letzten Jahren wurden nur noch sporadische Fälle gemeldet, drei betroffene Babys im Jahr 2004, je ein Fall in den Jahren 2001, 2002, 2003, 2006 und 2008.

Allerdings geht das Robert-Koch-Institut von einer erheblichen Untererfassung aus, weil nur erkennbar geschädigte Neugeborene untersucht und gemeldet werden. Außerdem gibt es auch heute noch viele Schwangerschaftsabbrüche, die mit Röteln begründet sind: Von den 114.484 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr 2008 in Deutschland sind 2.989 aus einer so genannten medizinischen Indikation vorgenommen worden. Darunter fallen auch die Abbrüche wegen einer Embryopathie.

So wird gegen Röteln geimpftFür die Sicherheit ungeborener Babys empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) folgendes Vorgehen:

O Alle Mädchen und Jungen sollten mit einem Kombinationsimpfstoff gegen Mumps, Masern und Röteln (MMR) geimpft werden, in der Regel im Alter von elf bis 14 Monaten. Seit 2006 gibt es auch die Vierfachimpfung MMRV, die zusätzlich vor Varizellen (Windpocken) schützt.

O Bis zum Ende des zweiten Lebensjahres sollte eine zweite Impfung erfolgt sein.

O Steht bei einem Kind die Aufnahme in einer Kindereinrichtung (Krippe oder Kindertagesstätte) an, kann die Kombinationsimpfung auch vor dem zwölften Lebensmonat, nicht jedoch vor dem neunten Lebensmonat erfolgen. Zu einem früheren Zeitpunkt könnten nämlich die noch von der Mutter übertragenen Antikörper die Impfung neutralisieren.

O Der Mindestabstand zwischen zwei Dosen MMR oder MMRV-Impfstoff sollte vier bis sechs Wochen betragen.

O Für die MMR-Impfung besteht keine Altersbegrenzung. Sie kann in jedem Alter erfolgen. Empfohlen wird sie auch für alle ungeimpften beziehungsweise noch empfänglichen Personen im Gesundheitsdienst und in Gemeinschaftseinrichtungen und Kinderheimen.

O Eine zusätzliche Rötelnimpfung für Mädchen mit einem Einfachimpfstoff ist nicht erforderlich, wenn bereits zwei Impfungen mit MMR-Impfstoff vorgenommen worden sind. Ist nur eine MMR-Impfung vorausgegangen, dann ist die zweite möglichst frühzeitig bei allen Kindern und Jugendlichen nachzuholen (also auch bei Jungen und nicht nur bei Mädchen). Die Kinderärzte sollten bei der Jugendgesundheitsuntersuchung J1 sicherstellen, dass alle Jugendlichen zwei MMR-Impfungen erhalten haben.

Große Lücken bei der zweiten Impfung
Leider ist die Durchimpfungsrate gegen die drei Kinderkrankheiten Masern, Mumps und Röteln trotz vielfältiger Kampagnen immer noch unzureichend, bedauert die Stiftung Kindergesundheit in ihrer Stellungnahme. Nach aktuellen Erhebungen erhalten bundesweit 94,5 Prozent der Kinder die erste MMR-Impfung. Die zweite Impfung bekommen bis zum Zeitpunkt der Einschulung jedoch nur 68,2 Prozent der Kinder. Geht man davon aus, dass zur Eliminierung von Masern und Röteln, dem für dieses Jahr 2010 erklärten Ziel der Weltgesundheitsorganisation, mindestens eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent notwendig ist, so wird dieses Ziel in Deutschland nicht erreicht.

Die kombinierte Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln ist sehr gut verträglich. Nebeneffekte bestehen gelegentlich in einer milden Rötelnerkrankung mit mäßigem Fieber, Ausschlag und Lymphknotenschwellung. Im Jugendlichenalter Geimpfte können wenige Tage nach der Impfung auch leichte Gelenkbeschwerden verspüren. Die Masernkomponente des Impfstoffs kann zu vorübergehenden „Impfmasern“ mit Fieberanstieg bis zu 39 Grad Celsius und einem masernähnlichen Ausschlag führen. Die MMR-Impfung ist auch dann problemlos möglich, wenn bereits durch eine durchgemachte Erkrankung eine Immunität gegen Masern, Mumps oder Röteln bestehen sollte.

Junge Mädchen und Frauen, auch solche, die als Kinder oder Jugendliche gegen Röteln geimpft worden sind, sollten vor einer geplanten Schwangerschaft zuverlässig wissen, dass sie gegen Röteln immun sind, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit.

Einen genauen Aufschluss über die Immunität ermöglicht die Bestimmung der Rötelnantikörper im Blut. Fällt diese Untersuchung negativ oder fraglich aus, sollte sich die junge Frau gleich gegen Röteln impfen lassen. In der Schwangerenvorsorge ist ein Rötelntest inbegriffen.

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