Rezeptorblockade verbessert Lungenfunktion bei Mukoviszidose

Mukoviszidose ist die häufigste erbliche Stoffwechselerkrankung. Weltweit leben etwa 70 000 Menschen, in Europa etwa 30 000 Menschen mit der Erkrankung, die als Cystische Fibrose (CF) oder Mukoviszidose bekannt ist.

Die Ursache der angeborenen Erkrankung – ein genetischer Defekt – ist bislang nicht heilbar, so dass nur die Symptome gelindert werden können. Die betroffenen Patienten leiden an schweren Störungen der Atmung und der Verdauung, da bestimmte Drüsenzellen in Lunge, Bauchspeicheldrüse oder Dünndarm anstelle des normalerweise flüssigen Sekrets einen zähen Schleim absondern. In dem vermehrten Schleim der Atemwege können sich Bakterien leicht ansiedeln, was wiederum zu häufigen Lungenentzündungen führt. Letztendlich sterben die Patienten an diesen Lungenerkrankungen, die durch chronische Entzündungen und Infektionen charakterisiert sind.

Bei den entzündlichen Vorgängen sammeln sich vor allem neutrophile Granulozyten im erkrankten Lungengewebe an. Diese erzeugen in den Atemwegen sog. DNA-Netze, die die Atmungsfunktion beeinträchtigen. In der – aktuell als Titelgeschichte in Nature Medicine publizierten – Arbeit konnten Wissenschaftler durch eine spezifische Rezeptorblockade die Netzbildung verringern und damit die Lungenfunktion bei Mukoviszidose im Tiermodell verbessern.

Diese zellulären Vorgänge stehen im Mittelpunkt der aktuellen Forschung des neu an die Universitätskinderklinik Tübingen berufenen Professors Dominik Hartl, dessen Ergebnisse im September auf der Titelseite von Nature Medicine präsentiert werden. Die Granulozyten, normalerweise hilfreiche anti-bakterielle Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems, scheinen im Krankheitsgeschehen der Mukoviszidose-Patienten einen schädlichen Einfluss auf den Erkrankungsverlauf zu haben. Die zu Grunde liegenden Mechanismen waren bislang nur unzureichend verstanden. Die DFG Emmy Noether Forschungsgruppe um Prof. Hartl konnte nun erstmals zeigen, dass neutrophile Granulozyten in den Atemwegen von Mukoviszidose-Patienten DNA-Netze auswerfen, (sogenannte „Neutrophil extracellular traps“, NETs), welche die Atemwege der Betroffenen in Mitleidenschaft ziehen und damit deren Atemfunktion verschlechtern.

Die NETs werden über einen bislang unbekannten zellulären Mechanismus geformt, der über den G-Protein gekoppelten Rezeptor CXCR2 vermittelt wird. Da G-Protein gekoppelte Rezeptoren ideale pharmakologische Zielstrukturen darstellen, führte die Forschungsgruppe um Prof. Hartl therapeutische Versuche in einem Mausmodell der Mukoviszidose-Lungenerkrankung durch. Diese Studien zeigten, dass die Verabreichung eines CXCR2-Antagonisten die NETs-Formation und die Lungenfunktion bei Mukoviszidose in vivo günstig beeinflusst. Von den Forschungsergebnissen versprechen sich Hartl und Mitarbeiter neue pharmakotherapeutische Strategien, um die mittlere Überlebenszeit der Patienten, die aktuell bei rund 37 bis 40 Jahre liegt, zu verlängern.

Die Forschungsarbeit ist aus der engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Pädiatern, Pulmonologen, Mikrobiologen und Immunologen entstanden. Maßgeblich neben der Arbeitsgruppe um Prof. Hartl daran waren beteiligt Prof. Marcus Mall von der Uniklinik Heidelberg, Prof. Gerd Döring von der Mikrobiologie des Uniklinikums Tübingen sowie Forscher aus dem Helmholtz Zentrum München, der Universität Amsterdam und der Universität Salzburg.

Titel der Originalpublikation

CXCR2 mediates NADPH oxidase-independent neutrophil extracellular trap formation in cystic fibrosis airway inflammation
Marcos V, Zhou Z, Yildirim A, Bohla A, Hector A,Vitkov L, Wiedenbauer EM, Krautgartner W, Stoiber W, Belohradsky BH, Rieber N, Kormann M, Koller B, Roscher A, Roos D, Griese M, Eickelberg O, Döring G, Mall MA and Hartl D.

Nature Medicine, published online 5 September 2010 (doi:10.1038/nm.2209)

Ansprechpartner für nähere Informationen

Universitätsklinikum Tübingen
Prof. Dr. med. Dominik Hartl
DFG Emmy Noether Gruppe
Professur für Pädiatrische Infektiologie und Immunologie
Kinderklinik, Abteilung I (Allgemeine Pädiatrie, Hämatologie und Onkologie, Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Rupert Handgretinger) und Interdisziplinäres Zentrum für Infektionsmedizin Tübingen (IZIT)
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
dominik.hartl@med.uni-tuebingen.de
Tel. 07071/29-8 71 99

Media Contact

Dr. Ellen Katz idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-tuebingen.de

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