"NephroGen"-Labor hilft nierenkranken Kindern weltweit

Nierenkrankheiten haben häufig eine genetische Ursache. Die Diagnosestellung ist jedoch sehr aufwendig und kann nur in spezialisierten Laboren durchgeführt werden. Die Sektion Pädiatrische Nephrologie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg (Sektionsleiter: Professor Dr. Dr. Franz Schaefer) hat in wenigen Jahren ein hochqualifiziertes Labor aufgebaut, das Genanalysen zahlreicher Patienten im In- und Ausland durchführt, und hat damit die Diagnostik und Beratung betroffener Familien wesentlich verbessert. Über zwei neue Internetportale werden Aufträge angenommen, Daten gesammelt und Informationen bereit gestellt. Das Projekt „NephroGen“ wird seit 2004 von der Dietmar Hopp Stiftung mit 400.000 € finanziert.

„NephroGen“ – zentrale Anlaufstelle für Laboranforderungen

Zahlreiche Gene, die Nierenerkrankungen bei Kindern hervorrufen können, sind bereits bekannt. Trotzdem fanden diese Erkenntnisse bisher nicht den Weg in die klinische Routinediagnostik, da nur wenige Labore diese speziellen Untersuchungen anbieten, und die Ärzte oft nicht wissen, wer welche Gene untersuchen kann. Eine genetische Analyse kann bis zu sechs Monate in Anspruch nehmen und wird nicht von allen Krankenkassen bezahlt. Professor Schaefer hat mit „NephroGen“ ein Labor aufgebaut, das die Diagnostik für die 15 häufigsten, nierenrelevanten Gene anbietet. Für die meisten dieser Gene ist das Heidelberger Labor der erste und bisher einzige Leistungsanbieter in Europa.

Die Nachfrage ist groß: Neben Einsendungen aus Deutschland kommen Anforderungen aus 10 europäischen Ländern, dem mittleren Osten und Lateinamerika. Seit 2005 wurden über 1.000 Genanalysen durchgeführt. Bisher erfolgten die Untersuchungen im Rahmen von Forschungsprojekten und waren für die Einsender daher kostenlos. Doch 2010 sollen die nephrogenetischen Leistungen in das Angebot des Humangenetischen Instituts (Leiter: Professor Dr. Claus R. Bartram) integriert und dort auch abgerechnet werden.

Informations- und Datenquelle für kindernephrologische Zentren weltweit

Über das Internetportal www.nephrogen.org, das seit 2006 online ist, können Ärzte detaillierte Informationen zu den Krankheitsbildern erhalten und spezifische Befunde anfordern. Ein weiteres Internetportal (www.podonet.org) existiert seit 2009 und wird bereits von 50 kindernephrologischen Zentren in 19 Ländern genutzt. Hier werden im Rahmen eines auch von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und EU geförderten Verbundprojektes genetische und klinische Daten zum sogenannten steroidresistenten nephrotischen Syndrom, einer besonders wichtigen, seltenen kindlichen Nierenerkrankung zusammengeführt (siehe unten).

„Der Nutzen dieser umfangreichen genetischen Diagnostik liegt zum einen darin, den Kindern unnütze und belastende Therapien zu ersparen. Zum anderen kann das Wissen um eine genetische Krankheitsursache die Prognose entscheidend verändern. Auch ist es für die Betroffenen und gesunde Geschwisterkinder wichtig, das Risiko zu kennen, die Erkrankung an nachfolgende Generationen weiter zu vererben“, erläutert Professor Schaefer. „Ein langfristiges Ziel unserer Untersuchungen ist es natürlich, neue, möglicherweise kausale Therapien zu entwickeln, die die Nierenfunktion erhalten können.“ Denn leider ist es immer noch so, dass den meisten nierenkranken Kindern über kurz oder lang eine Nierenersatztherapie, also Dialyse und Nierentransplantation, nicht erspart bleibt.

Patientengeschichte:
Die kleine Ceylin ist 18 Monate alt. Seit einiger Zeit leidet sie unter starken Wassereinlagerungen. Bald fand man heraus, dass ihre Nieren sehr viel Eiweiß verlieren; man spricht von einem „nephrotischen Syndrom“. Diese Krankheit beruht meistens auf einer Störung des Immunsystems und wird mit Kortison behandelt, manchmal auch mit stärkeren Medikamenten. Bei Ceylin führte das Kortison zwar zu einigen Nebenwirkungen, aber die Nierenerkrankung wurde nicht besser. Das Mädchen wurde zur Weiterbehandlung nach Heidelberg geschickt.

In seltenen Fällen kann ein nephrotisches Syndrom durch angeborene genetische Veränderungen in den Nieren verursacht werden. Diese Veränderungen lassen sich nicht durch Medikamente beeinflussen und führen zu einem fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion. Die Heidelberger Ärzte fanden bei Ceylin rasch eine solche genetische Ursache.

Die schlechte Nachricht für Ceylin und ihre Familie ist, dass Ceylin in einigen Jahren eine Nierentransplantation brauchen wird. Immerhin aber war schnell klar, dass Kortison und andere Medikamente bei Ceylin prinzipiell unwirksam sind und ihr die oft schwerwiegenden Nebenwirkungen dieser Therapien erspart werden können. Auch auf eine Nierenbiopsie konnte dank der genetischen Diagnostik verzichtet werden. Eine weitere gute Nachricht ist, dass die Erkrankung mit der Transplantation einer gesunden Niere geheilt sein wird. In den Fällen, die auf Störungen des Immunsystems beruhen, kann die Erkrankung nämlich auch in der transplantierten Niere wieder auftreten und diese zerstören. In dieser Hinsicht konnten die Kindernephrologen die Familie dank der genetischen Diagnose beruhigen.

Die wissenschaftlichen Auswertungen der klinischen Arbeit des „NephroGen“-Projektes wurden bereits in hochrangigen internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht:

Hussein A, Askar E, Elsaeid M, Schaefer F. Functional polymorphisms in transforming growth factor-beta-1 (TGFß-1) and vascular endothelial growth factor (VEGF) genes modify risk of renal parenchymal scarring following childhood urinary tract infection. Nephrol Dial Transplant, 2009, Oct 26.

Tabatabaeifar M, Schlingmann K-P, Litwin M, Emre S, Bakkaloglu A, Mehls O, Antignac C, Schaefer F, Weber S, and the ESCAPE Trial Group. Functional analysis of BMP4 mutations identified in pediatric CAKUT patients. Pediatr Nephrol, 2009, 24: 2361-8.

Weber S, Moriniere V, Knüppel T, Charbit M, Dusek J, Ghiggeri GM, Jankauskiené A, Mir S, Montini G, Peco-Antic A, Wühl E, Zurowska AM, Mehls O, Antignac C, Schaefer F, Salomon R. Prevalence of mutations in renal developmental genes in children with renal hypodysplasia: Results of the ESCAPE Study. J Am Soc Nephrol, 2006, 17: 2864-70

Weitere Informationen zu der Sektion Pädiatrische Nephrologie des Universitätsklinikums Heidelberg:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Sektion-Paediatrische-Nephrologie.5158.0.
html?&FS=99880.pdf%3FFS%3D0
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dr.h.c. Franz Schaefer
Sektionsleiter Pädiatrische Nephrologie
Leiter KfH-Nierenzentrum für Kinder und Jugendliche
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Im Neuenheimer Feld 430
69120 Heidelberg
Tel.: 06221/56 32 396
Fax: 06221 / 56 51 66
E-Mail: franz.schaefer@med.uni-heidelberg.de
Dietmar Hopp Stiftung:
Die Dietmar Hopp Stiftung wurde 1995 gegründet, um die Umsetzung gemeinnütziger Projekte zu ermöglichen. Das Stiftungsvermögen besteht aus SAP-Aktien, die Dietmar Hopp aus seinem privaten Besitz eingebracht hat. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung, die zu den größten Privatstiftungen Europas zählt, insgesamt rund 230 Millionen Euro ausgeschüttet (Stand: Januar 2010). Gefördert werden Projekte aus den Bereichen Sport, Medizin, Soziales und Bildung. Der Schwerpunkt der Förderaktivitäten liegt in der Metropolregion Rhein-Neckar, mit der sich der Stifter besonders verbunden fühlt. Die Dietmar Hopp Stiftung ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und in der Sportregion Rhein-Neckar e.V.
Dietmar Hopp Stiftung
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Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 7.600 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 40 Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.400 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
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Dr. Annette Tuffs
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und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
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