Nutzen von Individualschablonen in der orthopädischen Chirurgie

Bei operativen orthopädischen Eingriffen ist die geometrisch exakte Planung und Ausführung einer Operation am Knochen besonders wichtig: Für die Planung stehen dem Orthopäden insbesondere Röntgenprojektionsaufnahmen sowie computertomografische Schnittbilder zur Verfügung. Hilfestellungen während der OP bieten computergestützte Navigationssysteme oder der Einsatz von Robotern.

Diese Verfahren sind allerdings kostspielig und teilweise zeitaufwändig und mit zusätzlichen Belastungen für den Patienten – aufgrund langer Narkosedauer, Blutverlust oder häufiger Röntgenkontrollen während der Operation – verbunden. Dennoch haben sich insbesondere Navigationstechniken für einige chirurgische Anwendungen etabliert.

Bereits in den frühen 90er Jahren hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Radermacher, Inhaber des Lehrstuhls für Medizintechnik im Helmholtz-Institut der RWTH Aachen, gemeinsam mit Professor Hans-Walter Staudte, ehemaliger Chefarzt der Orthopädischen Abteilung des Medizinischen Zentrums Marienhöhe, Würselen, das Prinzip der Individualschablonen entwickelt und in zahlreichen Laboruntersuchungen und klinischen Anwendungen erprobt.

Dennoch konnte sich die Methode der Individualschablone zunächst nicht in der orthopädischen Chirurgie durchsetzen. Grund dafür war, dass Informations- und Computertechnologie noch nicht wie heute als Werkzeug in der Medizin etabliert waren und von den Medizinern als alltägliches Hilfsmittel akzeptiert wurden. Außerdem war die Herstellung der Schablonen für medizintechnische Firmen vor 20 Jahren noch teuer und daher nicht sehr attraktiv, da für jeden Patienten individuell geplant und produziert werden muss. Dank moderner technischer Möglichkeiten einer effizienten Bild- und Planungs-Datenübermittlung sowie moderner Fertigungstechnologien zur Herstellung von Individualschablonen können jedoch heute Produktionszeiten, -kosten, und -aufwand maßgeblich reduziert werden, womit diese ursprünglich in Aachen entwickelte und patentierte Technik weltweit eine Renaissance erlebt.

Heute werden Individualschablonen in erster Linie bei OPs an Wirbelsäule, Hüfte und Knie aber auch im zahnmedizinischen Bereich und in der Kopfchirurgie eingesetzt. Sie sind eine preisgünstige Alternative und stellen außerdem keine großen technischen Anforderungen an den Arzt. Aus den individuellen Computertomographie-Bilddaten sowie Magnetresonanztomographiedaten des Patienten werden vor der Operation mit Hilfe eines Computers dreidimensionale Rekonstruktionen erstellt, an denen der Eingriff – beispielsweise eine Bohrung in den Knochen oder die exakte Position eines Knieimplantates – geplant wird. Die aus den Bildern ermittelte Knochenoberfläche, die bei jedem Patienten individuell ist, wird als virtuelle Abformung des Knochens berechnet. Die vor der Operation zum Beispiel aus Kunststoff gefertigte Individualschablone passt dann exakt in der geplanten Position auf den Knochen und gibt so die Planungsergebnisse während der OP wieder. Sie dient als Werkzeugführungshilfe und zeigt dem Operateur beispielsweise die genaue Bohrrichtung und

-tiefe im Knochen an. „Hierdurch wird intraoperativ eine geometrisch exakte Umsetzung der in der Operationsplanungsphase definierten Bearbeitungsschritte ohne zusätzlichen technischen Aufwand während der OP ermöglicht“, erklärt Radermacher. Mess- und Ausrichtungsarbeiten sowie Röntgenkontrollen während der Operationen können folglich minimiert werden. Eine Knieoperation mit Individualschablone dauert meist rund 20 bis 30 Minuten weniger als mit einem konventionellen Navigationssystem, so der Medizintechniker. Weitere Anwendungsgebiete sind beispielsweise Skoliosen der Wirbelsäule sowie Hüftschäden. Klinische Studien in diesem Bereich haben den Nutzen für den Patienten und das Operationsteam bereits Ende der 90er Jahre gezeigt: weniger Röntgenaufnahmen während der OP, geringerer Blutverlust und eine reduzierte OP- und Krankenhausaufenhaltsdauer, was wiederum geringere Kosten zur Folge hat.

In den vergangenen Jahren wurden Individualschablonen in der orthopädischen Chirurgie, der Neurochirurgie und im Dentalbereich – besonders in den USA – immer häufiger angewendet. Auch die SurgiTAIX AG, Aachen, ein Spin-Off-Unternehmen der RWTH, ist hier in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern aktiv. Auf Einladung der International Society for Computer Assisted Orthopaedic Surgery (CAOS) diskutieren Professor Radermacher und Professor Staudte gemeinsam mit anderen internationalen Experten aus Medizin, Forschung und medizintechnischen Unternehmen Anwendungsmöglichkeiten, Verfahren und Nutzen der Individualschablonen anlässlich der Jahrestagung CAOS 2010 im Palais des Congrès de Versailles in Paris.

Zusätzliche Infos erhalten Sie bei Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Radermacher, Lehrstuhl für Medizintechnik, Helmholtz-Institut, Pauwelsstr. 20, Telefon 0241/ 80-23873, E-Mail: radermacher@hia.rwth-aachen.de, Internet: www.meditec.hia.rwth-aachen.de

Gabriele Renner

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Thomas von Salzen idw

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