Neurowissenschaften – Synapsen mit perfekter Choreographie

Die Reizübertragung im Nervensystem funktioniert über spezielle Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, den Synapsen. Dort veranlasst ein elektrischer Impuls der präsynaptischen Nervenzelle – also derjenigen, von der der Reiz ankommt – das Freisetzen bestimmter Botenstoffe.

Diese diffundieren durch einen winzigen Spalt zur gegenüberliegenden – postsynaptischen – Nervenzelle und bewirken dort die Öffnung von Ionenkanälen. Dadurch fließt elektrischer Strom und der Reiz wird weitergeleitet.

Die Stärke der Reizübertragung hängt vom Vorrat an Botenstoffen ab, von deren Freisetzungswahrscheinlichkeit und von der Höhe des in der postsynaptischen Zelle ausgelösten elektrischen Signals. Die Veränderlichkeit dieser Eigenschaften – die sogenannte synaptische Plastizität – ist Grundlage ständiger Umstrukturierungen im Gehirn, ohne die Gedächtnis und Lernen nicht möglich wären. „Aufgrund indirekter Messungen bestand schon länger die Hypothese, dass sich dabei prä- und postsynaptische Veränderungen im Lauf der Zeit angleichen, also ein größerer Vorrat an Botenstoffen auf der einen Seite langfristig auch mit einer größeren Andockstelle auf der anderen Seite und damit einem größeren Stromfluss einhergeht“, sagt Professor Andreas Herz, LMU-Neurobiologe und Sprecher des Bernstein Zentrums für Computational Neuroscience.

Allerdings konnten diese langsamen Veränderungen noch nie direkt nachgewiesen werden – bis jetzt: „Der Durchbruch wurde erzielt, als wir ein von mir neu entwickeltes Analyseverfahren zur Bestimmung synaptischer Eigenschaften auf Daten anwendeten, die Schweizer Kollegen vor und nach zwölfstündigen Phasen neuronaler Aktivität gewonnen hatten“, freut sich Dr. Alex Loebel, Wissenschaftler in Herz' Gruppe und Erstautor der neuen Studie. Dabei gelang den Wissenschaftlern nicht nur der Nachweis, dass die Hypothese korrekt ist: „Zu unserer großen Überraschung passen sich prä- und post-synaptische Veränderungen selbst bei zehnfacher Vergrößerung oder Verkleinerung auf wundersame Weise exakt aneinander an“, sagt Loebel.

Auf langen Zeitskalen scheint synaptische Plastizität damit als ein Ein- oder Ausbau elementarer Bausteine erklärbar zu sein, die über den synaptischen Spalt hinweg operieren. „Mit diesem Erfolg konnten wir einen wichtigen Beitrag für das Verständnis der neuronalen Grundlagen von Lernen und Gedächtnis liefern“, sagt Loebel, „aber noch sind viele Fragen offen“. Wie die beiden durch eine Synapse verbundenen Zellen miteinander kommunizieren, um sich so fein abzustimmen, welche molekularen Signalwege hierfür nötig sind, und was die beobachteten Änderungen initiiert, sind dabei nur einige der Punkte, die die Wissenschaftler weiter aufklären möchten. göd

Publikation:
Matched Pre- and Post-Synaptic Changes Underlie Synaptic Plasticity Over Long Time Scales
Alex Loebel , Jean-Vincent Le Bé , Magnus JE Richardson , Henry Markram , Andreas VM Herz
Journal of Neuroscience, in press (2013)
doi: 10.1523/JNEUROSCI.3740-12.2013

Kontakt:
Dr. Alex Loebel
Faculty of Biology and Bernstein Center for Computational Neuroscience
Phone: +49 (0) 89 / 2180 – 74820
E-Mail: alex.loebel@gmail.com

Media Contact

Luise Dirscherl idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-muenchen.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Transparente emissive Mikrodisplays

… für ultraleichte und kompakte Augmented-Reality-Systeme. Im Rahmen des Projektes HOT („Hochperformante transparente und biegbare Mikro-Elektronik für photonische und optische Anwendungen“) haben Forschende des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS ein…

Partner & Förderer