Neuer Ansatz in der Dekubitusprophylaxe

Das Wundliegen von immobilen oder teilimmobilen Patienten ist in der pflegerisch-medizinischen Versorgung ein weit verbreitetes Problem, das zu Druckgeschwüren führen kann.

Zusammen mit drei Kooperationspartnern hat es sich das Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke (UW/H) zum Ziel gesetzt, innovative Lösungen für diese Problemlage zu entwickeln. So wurde nun ein Anti-Dekubitussystem entwickelt, dass sich von den bisher am Markt verfügbaren Systemen vor allem durch eine intelligente Software unterscheidet, die die Lage des Patienten „erkennt“, dadurch eine optimale Einstellung ermöglicht und den Pflegenden Hinweise gibt, zu welchem Zeitpunkt ergänzende Maßnahmen zur Umlagerung erfolgen müssen.

Derzeit liegt der Anteil der Dekubitusfälle bei bettlägerigen Menschen nach verschiedenen veröffentlichten Studien bei ca. 30 Prozent. Die betroffenen Patienten leiden unter starken Schmerzen, einhergehend mit einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Eine Therapie von Druckgeschwüren ist nur mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand möglich.
Das Institut für Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung schätzt die Kosten für eine Dekubitustherapie auf bis zu 50.000 Euro pro Fall. Der daraus resultierende volkswirtschaftliche Schaden liegt jährlich im Bereich von einer bis zwei Milliarden Euro. Aus der prognostizierten demografischen Entwicklung in Europa kann für die kommenden Jahre eine stetige Zunahme des Anteils betroffener Menschen abgeleitet werden.

Dem soll das neue, intelligente Anti-Dekubitussystem entgegenwirken. Dabei wird in 20 unabhängigen Luftkammern mittels eines kontinuierlichen Luftstroms ein bestimmter Druck aufrechterhalten. Dieser führt je nach Programm zu einer größtmöglichen Druckentlastung. Gleichzeitig zeichnet das System die jeweilige örtliche Druckbelastung auf und kann so eine ggf. vorhandene Restmobilität des Patienten erkennen, dokumentieren und ein Signal geben, dass die Erforderlichkeit zusätzlicher Maßnahmen anzeigt.

Das Gesamtsystem zeichnet sich durch fünf wesentliche Innovationen aus:

– Lokalisierung druckbelasteter Stellen
– Erkennung der Größe der druckbelasteten Stelle
– automatische optimale Weichlagerung
– Erkennung der Nicht-Bewegung des Patienten nach einstellbaren Parametern wie der Zeit oder der Druckschwellwerte
– Fachpflegekräfte werden bei der Erkennung von Nicht-Bewegung unterstützt und erfahren im Bezug zum Patienten einen Lernprozess zur Verbesserung der Liegeeigenschaften

Die Entwicklung des intelligenten Anti-Dekubitussystems wurde im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert und nun sogar als ZIM-Erfolgsprojekt ausgezeichnet.

Der Markt und die Kunden

Potenzielle Einsatzbereiche des neuen Anti-Dekubitussystems sind Kliniken, Altenheime sowie speziell der häusliche Bereich. Hier erleichtert das neue System die Pflege von besonders hochgradig gefährdeten Menschen, weil durch die intelligente Steuerung die Möglichkeit besteht, die Dauer nächtlicher Lagerungsintervalle zu verlängern, so dass pflegende Angehörige nachts länger durchgehend schlafen können.

„Zwar reichen die bislang durchgeführten Messungen nicht aus, um die Erfolge auch wissenschaftlich fundiert zu belegen. Aber die ersten Ergebnisse stimmen mich sehr zuversichtlich“, erklärte Otto Inhester, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Pflegewissenschaft. „In dem System steckt ein enormes Potential, dass wir nun schrittweise weiter entwickeln werden. Schon heute kann man aber klar sagen, dass Pflegende ein Hilfsmittel bekommen, das sie bei der Durchführung der Prophylaxe gut und sicher unterstützen wird.“

Da das System eine spürbare Verbesserung für die Patienten darstellt und die Pflege deutlich erleichtert, rechnen die Entwickler mit einer guten Marktakzeptanz. Die Roadshow für das Anti-Dekubitussystem hat bereits begonnen, eine Vielzahl von stationären Einrichtungen hat bereits Interesse an dem neuen Produkt bekundet.

Die Kooperationspartner

Kooperationspartner der UW/H sind die Firma Hydrotechnik electronics, die Geräte und Anlagen für die Verfahrenstechnik plant, entwickelt, produziert und vertreibt, die Firma AirMed Plus, die im Bereich der Herstellung, Forschung und Entwicklung von Medizinprodukten tätig ist sowie das Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen, das Forschung und Lehre in den Fachbereichen Faserverbundwerkstoffe, Textile Herstellungsverfahren, Technische Textilien, Medizintextilien, Textile Fertigungs- und Prüftechnik, Textile Anwendungen, Qualitätssicherung und Simulation betreibt.

Die Fakultät für Gesundheit der UW/H forscht schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Integrativen und Personalisierten Gesundheitsversorgung und bildet im Department für Pflegewissenschaft Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler aus.

Weitere Informationen: www.zim-bmwi.de/erfolgsbeispiele
Kontakt: Otto Inhester, Otto.Inhester@uni-wh.de, 02302 / 926-243

Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 1.450 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

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Jan Vestweber idw

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