Neue Therapie bei Lungenkrebs: Strahlentherapie von Hirn und Brustkorb verbessert Überlebensrate

Bislang gehört die vorbeugende Bestrahlung des Schädels zum Behandlungskonzept. Nun belegt eine aktuell in The Lancet veröffentlichte Studie die Vorteile einer zusätzlichen Bestrahlung des Brustkorbs in Bezug auf das Überleben. Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) empfiehlt daher die Brustkorbbestrahlung standardmäßig anzuwenden.

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 52 000 Menschen neu an einem Bronchialkarzinom. Etwa 13 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen entfallen auf das kleinzellige Bronchialkarzinom.

„Dieser Krebs wächst sehr rasch und hat bei der Diagnose meist eine Ausdehnung erreicht, in der eine Operation nicht mehr sinnvoll ist“, berichtet DEGRO-Präsident Professor Dr. med. Michael Baumann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Dresden.

Die Behandlung bestand lange Zeit allein in einer Chemotherapie, die den Tumor verkleinerte und die Beschwerden vorübergehend linderte. Bei den meisten Patienten kam es aber nach kurzer Zeit zu Metastasen im Gehirn, die die Überlebenszeit verkürzten. Vor sieben Jahren konnte eine europäische Studie zeigen, dass eine vorbeugende Schädelbestrahlung die Häufigkeit der Hirnmetastasen drastisch senkt und die Einjahresüberlebensrate verdoppelt.

„Diese prophylaktische Schädelbestrahlung ist heute Standard beim kleinzelligen Bronchialkarzinom“, berichtet Professor Dr. med. Martin Stuschke, Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Essen.
Da die Chemotherapie den Krebs in der Lunge nicht völlig beseitigen kann, kommt es nicht nur zur Metastasen im Gehirn, auch andere Organe können betroffen sein.

„Daher wurde in klinischen Studien zwischen 2009 und 2012 auch der Brustkorb prophylaktisch bestrahlt“, ergänzt Professor Stuschke. An den Studien nahmen 498 Patienten aus 42 europäischen Kliniken teil. Die Hälfte erhielt im Anschluss an die Chemotherapie zusätzlich zur Schädelbestrahlung insgesamt zehn Bestrahlungen des Thorax. Die andere Hälfte erhielt nach der Chemotherapie nur eine Radiotherapie des Schädels. „Die zusätzlichen Brustkorb-Bestrahlungen wurden von den im Mittel 63 Jahre alten Patienten in der Regel gut vertragen“, berichtet Professor Stuschke.

Die günstige Wirkung der Thoraxbestrahlung wurde jedoch nur bei Patienten beobachtet, die länger als ein Jahr überlebten. Während durch die Schädelbestrahlung die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Jahr verdoppelt werden konnte, wurde ein Effekt der Thoraxbestrahlung erst im zweiten Jahr erkennbar. Sie bestand dann jedoch in einer deutlichen Steigerung der Überlebensrate nach zwei Jahren von drei auf 13 Prozent.

„Dies bedeutet, dass einer von zehn Patienten durch die Bestrahlung des Thorax eine Chance auf ein Langzeitüberleben erhält“, sagt Professor Stuschke: „Dies ist ein in der Therapie des kleinzelligen Lungenkarzinoms nur selten erzielter Vorteil, der die Bestrahlung des Thorax als Einzelfallentscheidung für Patienten sinnvoll erscheinen lässt, bei denen eine gute Verträglichkeit anhand ihres Allgemeinzustands und des zu therapierenden Tumorvolumens anzunehmen ist.“

„Diese standardisierte Bestrahlung des Brustkorbs ist ohne Spezialgeräte an allen Strahlenkliniken möglich“, sagt DEGRO-Präsident Baumann. „Wir sollten deshalb nicht zögern, sie unseren Patienten individuell anzubieten“.

Dass immer noch viele der Patienten trotz der prophylaktischen Bestrahlung im ersten Jahr nach der Diagnose sterben, zeige jedoch auch, dass die Therapie des kleinzelligen Bronchialkarzinoms dringend weiter verbessert werden muss. „Hierzu sind auch in Zukunft klinische Studien unerlässlich“.

Literatur:
Ben J Slotman, Harm van Tinteren, John O Praag et al.: Use of thoracic radiotherapy for extensive stage small-celllung cancer: a phase 3 randomised controlled trial. The Lancet, Early Online Publication, 14 September 2014. doi:10.1016/S0140-6736(14)61085-0 Abstract

Zur Strahlentherapie:
Die Strahlentherapie ist eine lokale, nicht-invasive, hochpräzise Behandlungsmethode mit hohen Sicherheitsstandards und regelmäßigen Qualitätskontrollen. Bildgebende Verfahren wie die Computer- oder Magnetresonanztomografie ermöglichen eine exakte Ortung des Krankheitsherdes, sodass die Radioonkologen die Strahlen dann zielgenau auf das zu bestrahlende Gewebe lenken können. Umliegendes Gewebe bleibt weitestgehend verschont.

 
Pressekontakt für Rückfragen:
Dagmar Arnold
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.
Pressestelle
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-380
Fax: 0711 8931-167
E-Mail: arnold@medizinkommunikation.org
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