Neue Behandlungsmethode erstmals gezielt eingesetzt – Kind mit nierenzerstörendem Faktor erfolgreich transplantiert

Rund 5 Jahre wartete er auf seine Nierentransplantation. Nicht, weil es keine für ihn gegeben hätte, sondern weil er seit seinem 9. Lebensmonat an einer Krankheit* litt, die jede neue Niere sofort wieder zerstört hätte. Parallel kam der kleine Körper mit der jahrelangen Dialyse immer schlechter zurecht.

Experten der Tübinger Uni-Kinderklinik wandten bei Christian jetzt erstmals gezielt ein Verfahren an, dass bisher weltweit nur in vier Notfällen (bei Patienten mit drohendem Nierentransplantatverlust) zum Zuge kam: Mit einem Antikörper blockierten die Ärzte den nierenzerstörenden Faktor in seinem Blut und ermöglichten ihm am 8. März 2010 die lebensrettende Transplantation. Alle 14 Tage muss er künftig wahrscheinlich lebenslang dieses – bisher dazu noch nicht zugelassene – Medikament** nehmen. Inzwischen ist Christian wohlauf und kann sicherlich bald die Klinik verlassen.

18 Kilo wog der Sechsjährige, als die Tübinger Ärzte sich zu dem ungewöhnlichen Vorgehen entschlossen. Die Lage hatte sich nach 5 Jahren Dialyse zugespitzt. Am Anfang setzten die Ärzte auf die Bauchfelldialyse, die der Kleine aber schlecht vertrug. Bauchschmerzen und Entzündungen waren an der Tagesordnung, so dass die Kindernephrologen auf die normale Dialyse umstellen mussten. Auch hier waren der ärztlichen Kunst, möglicherweise auch bedingt durch die Bluterkrankung, bald Grenzen gesetzt: Die für die Dialysezugänge erforderlichen Venen wurden nach und nach unbrauchbar, Thrombosen traten auf. Christian musste wieder zur Bauchfelldialyse zurückkehren, die er nach wie vor schlecht vertrug.

In dieser außergewöhnlichen Situation wurde, zusammen mit den Kinder-Hämatologen der Tübinger Uni-Kinderklinik, einem Speziallabor für Blutuntersuchungen und der Herstellerfirma ein Plan ausgearbeitet, um den nierenzerstörenden Faktor im Blut genau zu bestimmen und diesen mit einem Antikörper gezielt auszuschalten. Christian bekam 3 Wochen lang das – nicht dafür zugelassene – Medikament als Heilversuch, dann setzten ihn die Transplantationsexperten des Uniklinikums auf die Warteliste für eine Nieren-transplantation.

Am 8. März war es soweit. Christian erhielt in einer sechsstündigen Operation unter der Leitung von Prof. Alfred Königsrainer die Niere eines 23-Jährigen. Der erfahrene Tübinger Transplantations-Chirurg musste dabei die im Verhältnis große Niere in dem kleinen Kinderbauch unterbringen und den Harnleiter an der winzigen, bisher nie genutzten, walnussgroßen Blase anschließen. Die neue Niere nahm nach der Operation ihre Funktion problemlos auf. Jetzt muss Christian lernen auf normalem Weg „Pipi“ zu machen, und die Blase, die nach der Transplantation erst 5 ml fasste, muss sich langfristig vergrößern.

Am 11. März konnte der kleine Patient wieder auf die Normalstation verlegt werden. Sein Nintendo ist dort derzeit sein liebstes Spielzeug und er darf sicher bald nach Hause, freut sich Dr. Oliver Amon von der Uni-Kinderklinik Tübingen über die Fortschritte seines kleinen Patienten. „Und wenn ich nach Hause darf“, so Christian, „wird es eine Party geben!“

Die Experten der Tübinger Uniklinik erwarten sich von dieser Behandlung nicht nur Ergebnisse für die Behandlung des Atypischen Hämolytisch-urämischen Syndroms sondern auch Erkenntnisse hinsichtlich eines Schutzes vor bestimmten Abstossungsreaktionen nach erfolgter Organtransplantation.

* Atypisches Hämolytisch-urämisches Syndrom, bedingt durch eine Mutation im (Komplement-)Faktor H-Gen.

** Anti-Komplement C5-Antikörper Eculizumab (Soliris)

Ansprechpartner für die Presse

Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie
Prof. Alfred Königsrainer, Ärztlicher Direktor
Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076 Tübingen
Tel. 07071/29-8 6669, Fax 07071/29-5588
Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
Dr. Oliver Amon, Oberarzt und Dr. Marcus Weitz
Oliver.Amon@med.uni-tuebingen.de
Marcus.Weitz@med.uni-tuebingen.de

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Dr. Ellen Katz idw

Weitere Informationen:

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