Am Nasenring gepackt

Auf frischer Tat ertappt: Sobald ein Virus in die Zelle eindringt (rechts), binden RIG-I-Helicasen an die ringförmige Viren-RNA (1), ändern ihre Gestalt (2), lagern sich zu mehreren an (3) und setzen die antivirale Abwehr in Gang (4).<br>(Schema: Autoren/ Cell Host & Microbe)<br>

Um RNA-Viren wie Grippe- oder AIDS-Erreger abzuwehren, muss der Eindringling rasch erkannt werden. Daran sind so genannte Helicasen beteiligt, die dafür zuständig sind, verflochtene Stränge der Erbsubstanz RNA zu entwinden. Eine dieser Helicasen ist RIG-I. „Unserer Studie sollte klären, ob RIG-I die RNA der eindringenden Viren erkennt“, schreiben die Wissenschaftler um den Virologen Professor Dr. Friedemann Weber von der Philipps-Universität.

Sobald Helicasen an das Erbmaterial eindringender Viren binden, ändern sie ihre Gestalt, lagern sich zu mehreren zusammen und setzen die Abwehrmechanismen der Zelle in Gang. Bislang war jedoch weitgehend unbekannt, welcher konkrete Teil des Virus eine Helicase stimuliert.

Um das herauszufinden, machten die Wissenschaftler Gebrauch von einer Vielzahl natürlich vorkommender Virenstämme, die unterschiedliche Eigenschaften haben. So konnten die Forscher jeweils genau einen Aspekt der Immunabwehr isoliert betrachten: den Zeitpunkt des ersten Angriffs, das dafür verantwortliche Protein, die Zielstruktur auf dem Virus.

Die Untersuchungen ergaben folgendes Bild: Sobald ein Virus in die Zelle eingedrungen ist, setzt sich das RIG-I-Protein an eine bestimmte Stelle von dessen RNA, nämlich genau dort, wo diese zu einer Art Schleife gewunden ist. „RIG-I packt das Virus wie einen Stier am Nasenring“, erläutert Studienleiter Weber.

Die RNA der eindringenden Viren ist zwar eigentlich mit dem Enzym Polymerase bedeckt und dadurch geschützt; aber ab und zu macht das Enzym die RNA zugänglich, zum Beispiel, damit die Erbinformation kopiert werden kann. „Da RIG-I überall in der Zellgrundsubstanz vorhanden ist, scheint es die kurzzeitig entblößten Stellen dann rasch zu besetzen“, vermuten die Wissenschaftler.

„Unsere Befunde zeigen: Die Abwehr gegen Viren beginnt schon in dem Moment, in dem ein Virus in die Zelle eindringt“, schreiben die Forscher, „also zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer Infektion.“

Friedemann Weber ist Mitglied im Sonderforschungsbereich 593 zum Thema „Mechanisms of cellular compartmentalisation and the relevance for disease“, den die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) an der Philipps-Universität eingerichtet hat. Der Marburger Hochschullehrer zählt einer aktuellen Rangliste der Zeitschrift „Laborjournal“ zufolge zu den zwanzig am meisten zitierten Virologen im deutschsprachigen Raum.

Neben dem Institut für Virologie und der Abteilung für Zellbiologie der Philipps-Universität beteiligten sich Wissenschaftler der Universität Freiburg, der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Mount Sinai School of Medicine in New York an der Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Cell Host & Microbe“ erschienen ist.

Die Arbeit der Wissenschaftler wurde unter anderem durch die DFG, die Leibniz-Graduiertenschule „EIDIS“ sowie durch das Universitätsklinikum Gießen und Marburg finanziell gefördert.

Originalveröffentlichung: Michaela Weber & al.: Incoming RNA virus nucleocapsids containing a 5’-triphosphorylated genome activate RIG-I and anti-viral signaling, Cell Host & Microbe, 13 (3)/2013, pp. 336-346, DOI:10.1016/j.chom.2013.01.012

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Friedemann Weber,
Institut für Virologie
Tel.: 06421 28-64525
E- Mail: friedemann.weber@staff.uni-marburg.de

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Johannes Scholten idw

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