Wie kann man Übergewicht bei Kindern vorbeugen?

Am 30.4.2013 fand in Karlsruhe die Tagung „Besser essen. Mehr bewegen. KINDERLEICHT-REGIONEN: Evaluationsergebnisse zum Modellvorhaben“ statt. Rund ein Drittel der mehr als 200 Teilnehmer kamen aus den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen, etwa 40 Prozent aus der Wissenschaft. Auch der Gesundheitsbereich, Vereine und Verbände waren gut vertreten. Die Multiplikatoren, die die Tagung ansprechen wollte, hatten somit den Weg nach Karlsruhe gefunden.

Ziel des zu evaluierenden Modellvorhabens „Besser essen. Mehr bewegen. KINDERLEICHT-REGIONEN“ war es, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten von Kindern von der Geburt bis zum Ende des Grundschulalters zu verbessern, um eine normale Gewichtsentwicklung zu begünstigen. Um dies zu erreichen, sollten Maßnahmen in allen Lebenswelten der Kinder wie Familie, Kindertageseinrichtung, Grundschule und Stadtteil modellhaft aus der Praxis heraus entwickelt, erprobt, bewertet und in den Regionen verstetigt werden. Zielgruppen der Maßnahmen waren Kinder bis zum Ende des Grundschulalters. Der Fokus sollte auf Kindern aus schwer erreichbaren Familien, z. B. bildungsfernen Familien und Familien mit Migrationshintergrund liegen, die besonders von Übergewicht betroffen sind. Eltern und Familien, Erzieher, Lehrer und weitere Multiplikatoren waren darüber hinaus Zielgruppen der Maßnahmen.

Ziel der externen Evaluation des Max Rubner-Instituts war, herauszuarbeiten, mit welchen Maßnahmen und Partnern und in welchem strukturellen Kontext der Entstehung von Übergewicht bei Kindern dauerhaft vorgebeugt werden kann. Außerdem wurde untersucht wie es gelingen kann, dass sich die unterstützten Netzwerke auch nach Ende der staatlichen Förderung selbstständig tragen bzw. in die Verantwortung lokaler Institutionen übergehen.
Ergebnisse – Einige Bausteine des Erfolgs

Keine Verhaltensprävention ohne Verhältnisprävention
Während Verhaltensprävention auf Personen ausgerichtet ist, zielt Verhältnisprävention auf Veränderung der Bedingungen in ihren Lebenswelten. Im Modellvorhaben wurden Bedingungen so verändert, dass Kinder gesund essen und sich ausreichend bewegen können. Eine Kombination aus verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen erwies sich als Erfolg versprechend: Im Ernährungsbereich waren dies Maßnahmen, in denen das hauswirtschaftliche Personal und die Pädagogen sowohl in Kindertageseinrichtungen als auch in Schulen im Hinblick auf eine Optimierung des Frühstücks und des Mittagessens beraten wurden. Im Bereich Bewegung erwies sich in Kindertagesstätten insbesondere eine Umgestaltung der Bewegungsräume und des Außengeländes als erfolgreich.
Längerfristige Maßnahmen erbringen dauerhaften Erfolg
Längerfristige Maßnahmen zur Ernährungsbildung und Bewegungsförderung bei Kindern, aber auch bei deren Eltern, zeigen mehr Wirkung als eine einmalige Aktion. Wie die Evaluation nachweisen konnte, erhöhte sich bei Schulkindern der Anteil derjenigen, die sich täglich mindestens eine Stunde bewegten sowie die Dauer ihrer täglichen körperlich-sportlichen Aktivität, wenn mehrfach Bewegungsangebote gemacht oder Bewegungsgeräte eingeführt wurden, die zu dauerhaft mehr Bewegung anregen. Begünstigt wurde die dauerhafte Verankerung der Inhalte in den Einrichtungen, wenn dort Pädagogen tätig waren, die zu diesen Themen geschult wurden. Grundsätzlich gilt: Lernprozesse für gesunde Lebensstile brauchen Zeit. Sie brauchen umso mehr Zeit, je weiter die Zielgruppe vom angestrebten Lebensstil entfernt ist.
Kinder mit verzahnten Maßnahmen fördern
Die Einführung von Maßnahmen für Kinder, die deren Bewegung fördern, ist gut. Werden diese Maßnahmen verzahnt mit Maßnahmen, die eine ausgewogene Ernährung unterstützen, ist dies besser. Besonders erfolgreich ist es, wenn diese Maßnahmen durch Stärkung der psychischen Gesundheit ergänzt werden, wie die Förderung von Selbststeuerungsfähigkeiten der Kinder oder die Unterstützung von Erziehungskompetenzen der Eltern. Ein gemeinsames Konzept, abgestimmt unter allen Maßnahmenbeteiligten, ist daher Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung gesundheitsförderlicher Maßnahmen.

Mit interdisziplinären Netzwerken zu einem bedarfsgerechten Maßnahmenangebot
Ein Zusammenschluss lokaler Akteure in Form eines Netzwerks bündelt Kompetenzen und Ressourcen in der Region und sorgt so für koordinierte und zielorientierte Gesundheitsförderung und Prävention. Interdisziplinär zusammengesetzte Netzwerke begünstigen die Umsetzung von Maßnahmen in den verschiedenen Lebenswelten von Kindern und die Ausrichtung der Maßnahmen am tatsächlichen Bedarf der Zielgruppen. Jedoch müssen Netzwerke, wie die Evaluation deutlich gezeigt hat, in einem fortlaufenden Prozess gepflegt werden.
Verstetigung von Anfang an mitplanen – mit Konzept
Gesundheitsförderung sollte von Dauer sein, doch Projekte sind zeitlich begrenzte Vorhaben. Wird die Verstetigung eines Projektes nicht von Anfang an mitgedacht und mitgeplant, kommt es oft zum „Aus“ für ein ggf. erfolgreiches Projekt, beispielsweise weil keine Mittel zur Weiterfinanzierung des Personals vorhanden sind. Ein Faktor, der Verstetigung begünstigt und bereits im Vorfeld abgeklärt werden sollte ist, welche gesundheitsförderlichen Maßnahmen in eine Dauerstruktur überführt werden sollen. Außerdem sollten Aktivitäten auf das Ziel der Verstetigung hin konkret im Vorfeld geplant und kontinuierlich daran ausgerichtet werden, angefangen von der Budgetplanung über die Klärung, welche Partner für die Aktivitäten notwendig sind bis hin zur klaren Kommunikation des Nutzens der Gesundheitsförderungsmaßnahmen an Entscheider und potentielle Mittelgeber. Verstetigung braucht also ein Konzept.
Benachteiligte Familien im Lebensumfeld persönlich ansprechen
Kinder aus benachteiligten Familien sind überdurchschnittlich häufig von Übergewicht betroffen, ihre Eltern sind aber häufig für gesundheitsförderliche Maßnahmen schwer zu erreichen. Aushänge, Elternbriefe oder Kursflyer sind ungeeignet, um diese Zielgruppe zur Teilnahme an Maßnahmen zu motivieren. Eine persönliche und vertrauensvolle Ansprache dagegen öffnet Türen. Insbesondere Menschen, die sich schon in der Lebenswelt der Kinder und Eltern bewegen, wie Erzieher, Lehrer und Sozialpädagogen, gelingt der Zugang gut. Für Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern zeigte die Evaluation, dass der Zugang über Berufsgruppen wie Hebammen und Kinderärzte oder über geschulte Laienmultiplikatoren gut gelingt. Bei Eltern, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, hat sich die Ansprache über Personen mit derselben Muttersprache, die auch die deutsche Sprache gut beherrschen, bewährt. Generell gilt: Persönliche Ansprache braucht Zeit. Daher sollten bei der Maßnahmenkonzeption ausreichend Ressourcen hierfür eingeplant werden.

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