Die Macht der Gewohnheit: Stresshormone schalten Hirnregionen für zielgerichtetes Verhalten aus

Warum gestresste Personen eher in Gewohnheiten verfallen, als sich zielgerichtet zu verhalten, haben Kognitionspsychologen der Ruhr-Universität gemeinsam mit Kollegen des Uniklinikums Bergmannsheil (Prof. Dr. Martin Tegenthoff) herausgefunden.

Das Team um PD Dr. Lars Schwabe und Prof. Dr. Oliver Wolf vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft ahmte mit Medikamenten eine Stresssituation im Körper nach. Dann untersuchten sie mit der funktionellen Kernspintomografie die Hirnaktivität. In der Zeitschrift Journal of Neuroscience berichten die Forscher, dass das Zusammenspiel der Stresshormone Cortisol und Noradrenalin die Aktivität der Hirnregionen für zielgerichtetes Verhalten herunterfuhr. Die Hirnregionen, die für gewohnheitsbasiertes Verhalten verantwortlich sind, blieben unbeeinträchtigt.

Zwei Stresshormone im Einsatz

Um den Einfluss verschiedener Stresshormone zu testen, setzten die Kognitionspsychologen drei Substanzen ein: ein Placebo, das Stresshormon Cortisol und Yohimibin, das dafür sorgt, dass das Stresshormon Noradrenalin länger aktiv bleibt. Ein Teil der Probanden erhielt nur Cortisol oder nur Yohimibin, andere Probanden beide Substanzen. Die vierte Gruppe bekam ein Placebo verabreicht. Insgesamt gingen die Daten von 69 Probanden in die Studie ein.
Zielgerichtetes Verhalten und Gewohnheiten im Experiment untersuchen

Im Experiment lernten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sie Kakao oder Orangensaft als Belohnung erhielten, wenn sie am Computer bestimmte Symbole anklickten. Nach dieser Lernphase durften die Probanden entweder so viele Orangen oder so viel Schokopudding essen, wie sie wollten. „Das schwächt den Wert der Belohnung“, erklärt Schwabe. „Wer Schokopudding isst, für den verliert Kakao an Reiz. Wer mit Orangen gesättigt ist, hat weniger Verlangen nach Orangensaft.“ Zielgerichtet handeln heißt in diesem Kontext: Wer Schokopudding gegessen hat, klickt in den anschließenden Versuchsdurchgängen seltener die Symbole an, die zu einer Belohnung mit Kakao führen. Wer zuvor Orangen gegessen hat, entscheidet sich seltener für Symbole, die mit Orangensaft assoziiert sind. Aufgrund von vorangegangenen Ergebnissen nahmen die Wissenschaftler an, dass nur die Kombination von Yohimibin und Cortisol zielgerichtetes Verhalten abschwächt. Diese Hypothese bestätigten sie nun.

Die Mischung macht’s: Kombinierter Effekt von Yohimibin und Cortisol

Wie erwartet verhielten sich Probanden, die Yohimibin und Cortisol einnahmen, nicht zielgerichtet, sondern handelten ihren Gewohnheiten entsprechend. Die Sättigung mit Orangen oder Schokopudding hatte also keinen Effekt. Personen, die nur ein Placebo oder nur eines der Medikamente eingenommen hatten, handelten hingegen zielgerichtet, zeigten also den Sättigungseffekt. Die Hirndaten ergaben: Die Kombination aus Yohimibin und Cortisol setzt die Aktivität im Vorderhirn herab – im sogenannten orbitofrontalen und medialen präfrontalen Kortex. Diese Areale wurden schon in früheren Studien mit zielgerichtetem Verhalten assoziiert. Die Hirnregionen, die für das Gewohnheitslernen wichtig sind, waren hingegen bei allen Probanden gleich stark aktiv.

Titelaufnahme

L. Schwabe, M. Tegenthoff, O. Höffken, O.Wolf (2012): Simultaneous glucocorticoid and Noradrenergic activity disrupts the neural basis of goal-directed action in the human brain, Journal of Neuroscience, doi: 10.1523/JNEUROSCI.1304-12.2012

Weitere Informationen

PD Dr. Lars Schwabe, Kognitionspsychologie, Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-29324
Lars.Schwabe@rub.de

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Frühere Presseinformation zum Thema
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2011/pm00383.html.de

Abteilung Kognitionspsychologie
http://www.cog.psy.ruhr-uni-bochum.de/index.html

Redaktion: Dr. Julia Weiler

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