Hüftimplantat mit Langzeitwirkung

Passgenau fügt sich der Keramik-Hüftkopf in die Hüftpfanne aus Kunststoff ein. © Fraunhofer IPA<br>

Seit 50 Jahren ermöglichen künstliche Hüftgelenke Menschen mit irreparablem Gelenkschaden ein beschwerdefreies und aktives Leben. Doch nicht alle Prothesen funktionieren einwandfrei, vor allem Metall-auf-Metall-Implantate müssen während des chirurgischen Eingriffs hochpräzise eingesetzt werden.

Nicht optimal positionierte Implantate neigen zu Versagen, besonders bei zierlichen Patientinnen. Mediziner fordern sogar das Verbot dieser Ersatzgelenke aus Kobalt-Chrom-Legierungen, bei denen beim Gehen der Gelenkkopf aus Metall in der Gelenkpfanne aus Metall reibt. Minderwertig ausgeführte oder eingesetzte Metall-auf-Metall-Implantate können zu erhöhten Reibungswerten führen, was wiederum ein Ansteigen von freigesetzten Kobald-Chrom-Ionen bewirkt. Diese Ionen können sich über das Blut und die Lymphe ausbreiten und in der Folge Organe schädigen und Entzündungen auslösen. Sie stehen zudem im Verdacht, krebserregend zu sein. Wegen ihrer Robustheit wurden diese Prothesen bisher besonders häufig jungen aktiven Betroffenen eingesetzt.

Metallfreier Materialmix
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart haben jetzt in einem internationalen Team in dem von der Europäischen Kommission geförderten Projekt »ENDURE«, kurz für Enhanced Durability Resurfacing Endoprosthesis, ein neuartiges Hüftimplantat entwickelt. Dieses stellt im Vergleich zu den marktüblichen Pendants eine metallfreie Lösung dar und weist eine dem Knochen ähnliche Elastizität auf. Dafür sorgt eine spezielle High-Tech-Materialpaarung: Die Hüftpfanne ist aus kohlefaserverstärktem PEEK – einem hochfesten, reibungsbeständigen, biokompatiblen Polymer-Verbundstoff. Für den Hüftkopf wurde Keramik verwendet. Darüber hinaus gewährleistet eine Hydroxylapatit-Beschichtung an der Schnittstelle zum Knochen, dass dieser gut in die Oberflächenstruktur des Implantats einwächst. »Bisherige Kobalt-Chrom-Implantate sind sehr starr. Die Krafteinleitung in den Knochen ist nicht optimal, was zu abnormalen knöchernen Anpassungen führen kann. Dank der neuen Materialpaarung konnte die Kraftweiterleitung über die PEEK-Hüftpfanne in den Beckenknochen der natürlichen nachempfunden werden. Außerdem werden keine Metallionen freigesetzt«, betont Jasmin Hipp, Ingenieurin am IPA, die Vorzüge von ENDURE. Die gute Reibbeständigkeit der neuen Hüftprothese konnten die Wissenschaftlerin und ihr Team in ersten Tests mithilfe eines Roboters bestätigen, mit dem sie verschiedene Bewegungsabläufe wie Gehen, Treppen hoch- und hinuntersteigen simulierten. Für die Versuche kam ein Prototyp des Implantats zum Einsatz.
Kleine Pins schonen Knochengewebe
Die ENDURE-Implantate entsprechen dem knochenerhaltenden Prinzip der Oberflächenersatzprothese: dünnwandige Schalen, die lediglich die Gelenkfläche ersetzen. Demgegenüber stehen klassische Implantate mit langen Metall-Schäften zur Fixierung, verbunden mit einem erheblichen Verlust an Knochenmasse. Die Wissenschaftler überarbeiteten auch die mechanische Fixierung der Prothese am Knochen. »Zementfrei, eingepresst und mittels integrierter Stützstrukturen auf der knochenzugewandten Seite des Implantats werden der halbkugelförmige Kopf und die Pfanne auf den vorbereiteten Oberschenkelknochenkopf und in das Acetabulum – die natürliche Hüftgelenksgrube – eingeschlagen und befestigt«, erklärt Hipp.

Um den optimalen Sitz des künstlichen Hüftgelenks zu gewährleisten, haben die Forscher vom IPA ein in der Größe skalierbares Instrument entwickelt. Durch das Anbringen an gewöhnliche Chirurgieinstrumente erlaubt es ein Implantieren, Nachjustieren und Entfernen des Implantats. Das Werkzeug kann nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden – vergleichbar mit Einmalhandschuhen. Die Herausforderung: Es muss die sehr dünnwandige Implantat-Pfanne fest aufnehmen, um ein Umpositionieren im Acetabulum zu ermöglichen. Die Besonderheit dieses Instruments ist eine Hülse, die durch einen einsteckbaren Stift ausgespreizt wird und somit das Implantat stabil, schnell und in seiner Lage eindeutig verankert.

Die Wissenschaftler haben das Gerät bereits zum Patent angemeldet. Dass sowohl das Einsetzen als auch das Entfernen des neuen Hüftgelenks problemlos funktioniert, hat ein Ärzteteam der Universität Newcastle an Leichen nachgewiesen. Mittlerweile sind die präklinischen Studien beendet. Abschließende Entwicklungen sind geplant, um baldmöglichst in die klinischen Studien einstiegen zu können. Partner des EU-Projekts sind Aurora Medical, Medicoat, Hunt Developments, Ala Ortho, CeramTec, Invibio, Biomatech sowie die Universitäten Göteborg und Southampton.

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Jasmin Hipp Fraunhofer Forschung Kompakt

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