Herzrasen: Genetische Ursache entdeckt

Ein Gen, von dem man weiß, dass es für die Entwicklung von Herzscheidewand und Herzklappen essentiell notwendig ist, kann dafür verantwortlich sein, wenn Menschen am Brugada-Syndrom erkranken.

Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie, die eine Arbeitsgruppe um die Amsterdamer Kardiologin Connie R. Bezzina jetzt in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht hat. An der Studie beteiligt waren auch Wissenschaftler vom Biozentrum der Universität Würzburg: Professor Manfred Gessler, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungsbiochemie, und sein Team forschen schon lange an dem entsprechenden Gen: dem Hey2-Gen.

Gessler und seine Mitarbeiter haben vor über zehn Jahren das Hey2-Gen identifiziert. In ihren Untersuchungen konnten sie außerdem zeigen, dass das Gen im Tiermodell eine wichtige Rolle übernimmt, wenn Herzscheidewand und Herzklappen ausgebildet werden. „Dass das Gen auch an der elektrischen Aktivität von Herzmuskel- und Reizleitungszellen beteiligt ist, war jedoch bis dato nicht nachweisbar“, sagt Gessler.

Das Brugada-Syndrom

Das Brugada-Syndrom ist erst seit knapp 20 Jahren als eigenständige erbliche Herzrhythmusstörung erkannt. Zum ersten Mal beschrieben haben es die Brüder Josep und Pedro Brugada im Jahr 1991. Patienten, die daran erkrankt sind, leiden unter einer Veränderung der Erregungsleitung des Herzens, die mit einem hohen Risiko für einen plötzlichen Herztod einhergeht. Bei ihnen kommt es wiederholt zu Herzrhythmusstörungen, die zur Bewusstlosigkeit führen können. Im schlimmsten Fall tritt ein Kammerflimmern auf. Die Hauptkammern des Herzens schlagen dabei so schnell, dass sie kein Blut mehr pumpen – es kommt zu einem Herz-Kreislauf-Versagen.

„Bisher war bekannt, dass bei etwa 20 Prozent der Patienten Defekte eines Natriumkanals, bevorzugt der vom SNC5A-Gen abgelesenen Untereinheit, in Herzzellen vorliegen. Die Mehrzahl der Fälle blieb jedoch ungeklärt“, sagt Manfred Gessler.

Die Studie

Auf der Suche nach weiteren Risikofaktoren hat die Arbeitsgruppe um Connie R. Bezzina deshalb zunächst mit über 1000 Patienten genomweite Assoziationsstudien unternommen. Dabei fanden sich nicht unerwartet auch Zusammenhänge mit bestimmten genetischen Varianten sowohl des SCN5A-Gens, wie auch des verwandten SCN10A-Gens, die beide für die Erregungsausbreitung im Herzen mit verantwortlich sind. Dies konnten die Wissenschaftler auch an weiteren Patientenkohorten bestätigen.

Zur Überraschung der Forscher ergab jedoch bereits die erste Analyse auch statistisch signifikante Hinweise auf eine Rolle von genetischen Variationen nahe am HEY2-Gen in der Entwicklung des Brugada-Syndroms. Auch diese Daten konnten in den zusätzlichen Patientenkollektiven bestätigt werden.

Defekte im Hey2-Gen nachgewiesen

Der Durchbruch gelang dann in einer Kooperation der Würzburger mit der Amsterdamer Gruppe: „Mit Hilfe von speziellen optischen Methoden konnten wir nachweisen, dass auch bei Mäusen, denen eine der beiden Kopien des Hey2-Gens fehlte, Veränderungen in der Erregungsausbreitung in der Herzkammer und der anschließenden Repolarisierung der Herzmuskelzellen nachweisbar sind, die denen des Brugada-Syndroms vergleichbar sind“, erklärt Gessler. Somit scheint das HEY2-Gen, das bislang nur mit Entwicklungsdefekten des Herzen in Zusammenhang gebracht wurde, auch die korrekte Ausbildung des Reizleitungssystems des Herzens und die Erregbarkeit der Herzmuskelzellen mit zu beeinflussen.

Weitere Untersuchungen sind schon im Gange um die molekularen Mechanismen dieses Defektes genauer zu verstehen.

Common variants at SCN5A-SCN10A and HEY2 are associated with Brugada syndrome, a rare disease with high risk of sudden cardiac death; Connie R Bezzina et al. Nature Genetics, published online 21 July 2013; doi:10.1038/ng.2712

Kontakt

Prof. Dr. Manfred Gessler,
T: (0931) 31-84159,
E-Mail: gessler@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Gunnar Bartsch Uni Würzburg

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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