Gute Prognose ist vorhersagbar

Der Knochenmarkkrebs Multiples Myelom kann einen guten Verlauf nehmen. Eine Abgrenzung der Patientengruppe mit einem geringen Risiko ist der Arbeitsgruppe um Dr. Jens Hillengaß in der Sektion Multiples Myelom der Medizinischen Klinik Heidelberg gelungen. Wichtiger Hinweis sind Tumorzell-Ansammlungen, sogenannte „fokale Läsionen“ im Knochen und Knochenmark, deren Häufung auf ein höheres Risiko hinweist.

Diese bedeutende Arbeit wurde gemeinsam mit Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums und der Abteilung Radiodiagnostik des Universitätsklinikums erstellt und im „Journal of Clinical Oncology“ publiziert und von der Dietmar-Hopp-Stiftung, Walldorf, finanziell unterstützt.

Symptomatische und asymptomatische Erkrankungsform

Das Multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der sich bösartige, Antikörper produzierende Zellen des Immunsystems (sogenannte Plasmazellen) im Knochenmark vermehren. Es lassen sich zwei Formen unterscheiden: das symptomatische und das asymptomatische Multiple Myelom (sMM bzw. aMM). Rund 70 Prozent der Patienten leiden bei Erstdiagnose an der symptomatischen Form.

Bei der ersten Krankheitsform kann es zum Abbau der Knochensubstanz mit der Folge von Schmerzen und Knochenbrüchen kommen; es können Beeinträchtigungen der Nierenfunktion sowie Blutarmut auftreten. Darüber hinaus weisen einige Betroffene erhöhte Konzentrationen an Kalzium sowie bestimmter Proteine im Blut und Urin auf und erkranken aufgrund des geschwächten Immunsystems häufiger an Infektionen. Chemotherapie, der Einsatz neuer Wirkstoffe, die zelluläre Signalwege beeinflussen, sowie gegebenenfalls die Transplantation von Blutstammzellen sind zurzeit die Behandlungsoptionen.

Kein Handlungsbedarf ist dagegen nach dem gegenwärtigen Stand der Medizin beim asymptomatischen Multiplen Myelom gegeben, solange keine der oben genannten Anzeichen festzustellen sind. Auch beim aMM lassen sich vermehrt Produkte des Immunsystems im Blut nachweisen und die entarteten Immunzellen wandern ebenso ins Knochenmark ein. Dies wirft unweigerlich die Frage auf, ob und wie schnell sich aus einer asymptomatischen Plasmazellerkrankung ein lebensbedrohliches Multiples Myelom entwickelt.

Drei Viertel der asymptomatischen Patienten erkranken

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge steigt die Wahrscheinlichkeit für ein sMM tatsächlich im Laufe der Zeit an: Innerhalb von 15 Jahren gehen fast drei Viertel der asymptomatischen Erkrankungen in die therapiebedürftige Krebsform über. Das Fortschreiten der Krankheit kann dabei von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sein. So ist es mehr als verständlich, wenn sich die Patienten in dieser prekären Lage fragen: „Gehöre ich zu den Risikopatienten?“ Dies macht die absolute Dringlichkeit deutlich, Faktoren zu identifizieren, die mit einem ungünstigen Krankheitsverlauf verknüpft sind.

Dr. Hillengaß und seinen Kollegen gelang es nun, Risikopatienten präziser von Betroffenen mit mildem Krankheitsverlauf abzugrenzen: Mittels des sehr sensitiven Verfahrens der Magnetresonanztomografie (MRT) sind auch bereits bei aMM-Patienten kleine Tumorzell-Ansammlungen, sogenannte „fokale Läsionen“ im Knochen und Knochenmark darstellbar. Patienten mit mehr als einer fokalen Läsion müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem früheren Voranschreiten der Erkrankung rechnen. Auch die diffuse Anreicherung von entarteten Plasmazellen im Knochenmark ist offenbar mit einer schlechten Prognose verbunden.

Ganzkörperaufnahmen zeigen Tumorzellherde

Die Wissenschaftler hatten für diese Erkenntnisse eine Gruppe von 149 Patienten mit aMM auf Anzeichen von fokalen oder diffusen Knochenmarkläsionen untersucht und die Blutkonzentration an Aktivitätsparametern des Multiplen Myeloms bestimmt. Dr. Hillengaß untersuchte die Verläufe der Betroffenen z.T. mehr als fünf Jahre, um herauszufinden, wer innerhalb dieses Zeitraums ein symptomatisches Myelom entwickelte. Anschließend wurde geprüft, inwieweit sich der Krankheitsverlauf mit den untersuchten Parametern in Verbindung bringen lässt.

Für ihre Untersuchungen setzten die Forscher die Ganzkörper-Magnetresonanztomografie ein. Sie wählten diese Nachweismethode, da sich Knochenmarksveränderungen besser darstellen lassen als mit anderen bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder Computertomografie (CT). Die Ganzkörperaufnahmen erwiesen sich dabei als präziser als die alleinige Darstellung von Wirbelsäule und Becken: Jeder fünfte untersuchte Patient hatte auch außerhalb von Wirbelsäule und Becken fokale Läsionen, die bei einer partiellen MRT (Wirbelsäule plus Becken) übersehen worden wären.

Höhere Lebenserwartung durch rechtzeitige Therapie?

Dr. Hillengaß bringt die Ergebnisse seines Forschungsteams auf den Punkt: „Die Ergebnisse der Ganzkörper-MRT sind für uns eine wichtige Hilfe, um den Krankheitsverlauf unserer Patienten frühzeitig einschätzen zu können. Es wäre wünschenswert, dieses Verfahren routinemäßig in der Diagnostik von Patienten mit asymptomatischem Multiplen Myelom anzuwenden.“

Noch lässt sich nicht sagen, ob Risikopatienten bei einer frühzeitigen Diagnose von daraufhin eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen profitieren und länger leben würden. Dies muss in einer prospektiven Studie im Vergleich zur Standarddiagnostik erst noch untersucht werden. „Wir halten dies aber für einen viel versprechenden Ansatz und versuchen möglichst vielen Patienten auch solch innovative Methoden wie die Ganzkörper-MRT in der Routinediagnostik anzubieten.“

Literatur:
Prognostic significance of focal lesions in whole body magnetic resonance imaging in patients with asymptomatic multiple myeloma Jens Hillengaß, Kerstin Fechtner, Marc-André Weber, Tobias Bäuerle, Sofia Ayyaz, Christiane Heiss, Thomas Hielscher, Thomas M Moehler, Gerlinde Egerer, Kai Neben, Anthony D Ho, Hans-Ulrich Kauczor, Stefan Delorme2, Hartmut Goldschmidt, Journal of Clinical Oncology.
Weitere Informationen im Internet:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Bildgebung-beim-Multiplen-Myelom.109136.0.html
Ansprechpartner:
Dr. Jens Hillengaß
Leiter der Arbeitsgruppe „Bildgebung beim Multiplen Myelom“
Universitätsklinikum Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 80 03
E-Mail: Jens.Hillengass@med.uni-heidelberg.de
Dietmar Hopp Stiftung:
Die Dietmar Hopp Stiftung wurde 1995 gegründet, um die Umsetzung gemeinnütziger Projekte zu ermöglichen. Das Stiftungsvermögen besteht aus SAP-Aktien, die Dietmar Hopp aus seinem privaten Besitz eingebracht hat. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung, die zu den größten Privatstiftungen Europas zählt, insgesamt rund 230 Millionen Euro ausgeschüttet (Stand: Januar 2010). Gefördert werden Projekte aus den Bereichen Sport, Medizin, Soziales und Bildung. Der Schwerpunkt der Förderaktivitäten liegt in der Metropolregion Rhein-Neckar, mit der sich der Stifter besonders verbunden fühlt. Die Dietmar Hopp Stiftung ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und in der Sportregion Rhein-Neckar e.V.
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