Günstig, wirksam und ohne Nadel: Uni Graz schafft Grundlage für neuartigen Impfstoff

Erfolgreiches Mittel gegen Atemwegserkrankungen: Außenmembranvesikel unterm Elektronenmikroskop<br>Foto: Schild-Prüfert <br>

Eine Erfindung von Sandro Roier, Msc., Assoz.Univ.-Prof. Dr. Stefan Schild und Univ.-Prof. Dr. Joachim Reidl vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz erfüllt diese Kriterien.

Die Immunisierung gegen gefährliche Atemwegserkrankungen bei Mensch und Tier ist zum Patent angemeldet, ein wissenschaftlicher Artikel dazu erschien in der aktuellen Ausgabe des International Journal of Medical Microbiology.

Bestimmte Gruppen von krankheitserregenden Bakterien verfügen über eine zweite äußere Zellmembran, die abgestoßen werden kann. Dieses so genannten Außenmembranvesikel – kurz OMV – ist das Faksimile des lebenden Bakteriums. „OMVs besitzen exakt die Antigene in der natürlichen Anordnung und sind daher als Impfstoff perfekt geeignet“, erklärt Stefan Schild.

Menschen und Tiere produzieren also Antikörper und Gedächtniszellen, ohne zu erkranken. Dem Biowissenschafter gelang es, unter anderem die abgestoßenen Membranen von Erregern von Atemwegserkrankungen zu isolieren und für weitere Anwendungen bereitzustellen. „Konkret handelt es sich um Stämme der Pasteurellaceae, die zum Beispiel Rindergrippe, Geflügelcholera oder beim Menschen Erkrankungen der oberen Atemwege auslösen“, präzisiert Schild.

Bis dato musste bei betroffenen Tierfarmen in der Regel der gesamte Bestand getötet werden, Menschen konnten nur mit Antibiotika behandelt werden. „Das erhöht aber die Gefahr von Resistenzen signifikant“, ergänzt Joachim Reidl. Besonders bei Leuten, die etwa an der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD leiden, wird dies zunehmend zum Problem.

Da aber die einzelnen Stämme der Pasteurellaceae so unterschiedlich sind, konnte bislang noch kein wirksamer Impfstoff gefunden werden. Eine Behandlung mit OMVs bietet allerdings – so die überraschende Entdeckung des Grazer Forscherteams – umfassenden Schutz gegen verschiedene Erreger derselben Spezies. Ein weiterer enormer Vorteil des neuen Vakzins ist seine Haltbarkeit. „OMVs müssen zudem nicht gekühlt werden, was die Kosten reduziert und den Einsatz in Entwicklungsländern ungemein erleichtert“, betont Reidl. Außerdem kann der Impfstoff oral oder intranasal verabreicht werden.

„Diese Methode ist nicht nur für Menschen wesentlich angenehmer, auch LandwirtInnen können das Mittel selbst anwenden – eine zusätzliche Ersparnis“, so Schild.

Nun wird mit Pharmafirmen verhandelt, um den Impfstoff auf den Markt zu bringen. Ein wesentlicher Schritt dazu ist die Präsentation der Entdeckung am 4. Juni 2013 auf der Biovaria in München, Europas größter Messe für Biotechnologie. Wer dort teilnehmen möchte, muss zunächst seine Arbeit von einem Komitee bewerten lassen. Von vierzig internationalen Einsendungen wurde das Projekt der Uni Graz an die zweite Stelle gereiht – weit vor sämtlichen anderen universitären Projekten.

Patentierter Erfolg gegen Cholera

Auf Basis derselben Technologie hat Stefan Schild bereits einen Impfstoff gegen Cholera entwickelt, der patentiert wurde. Auch dazu konnte der Wissenschafter einen Artikel im renommierten Fachjournal Infection and Immunity publizieren, der kürzlich bereits online erschienen ist.

Publikationen im Detail:
Immunogenicity of Pasteurella multocida and Mannheimia haemolytica outer membrane vesicles. Sandro Roier, Judith C. Fenninger, Deborah R. Leitner, Gerald N. Rechberger, Joachim Reidl, and Stefan Schild. IJMM May 2013

http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1438422113000659

Lipopolysaccharide-modifications of a cholera vaccine candidate based on outer membrane vesicles reduce the endotoxicity and reveal the major protective antigen. Leitner DR, Feichter S, Schild-Prüfert K, Rechberger GN, Reidl J, Schild S. Infect Immun. 2013 Apr 29. [Epub ahead of print]

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23630951

Kontakt für Rückfragen:
Assoz.Univ.-Prof. Dr. Stefan Schild
Institut für Molekulare Biowissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz
Tel. 0043 (0)316/380-1970
E-Mail: stefan.schild@uni-graz.at

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Gudrun Pichler idw

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