Auf dem Grat zwischen Abwehr und Toleranz

Täglich konfrontiert eine immense Zahl von Stoffen die Darmschleimhaut des Menschen – darunter sind Nahrungsmittel, aber auch Krankheitserreger wie Viren und Bakterien. Und das Immunsystem muss den Körper vor Stoffen schützen, die Krankheiten auslösen oder giftig sind.

Doch gleichzeitig muss es die Stoffe zulassen, die harmlos oder sogar unentbehrlich sind – etwa bestimmte Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate sowie nützliche Darmbakterien. Stuft es diese fälschlicherweise als Gefahr ein, können Allergien oder Entzündungen folgen. Die Mechanismen, mit denen das Immunsystem die richtige Wahl zwischen Abwehr und Toleranz trifft, konnten Wissenschaftler um Professor Dr. Oliver Pabst jetzt weiter entschlüsseln.

Ihre Ergebnisse könnten neue Möglichkeiten eröffnen, um beispielsweise Unverträglichkeiten gegen Nahrungsmittel wie das in Mehl vorkommende Gluten zu therapieren. Die Forscher des Instituts für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Immunity.

Eine wichtige Funktion bei der Toleranzbildung erfüllen sogenannte regulatorische T-Zellen: Sie verhindern, dass das Immunsystem irrtümlich Stoffe abwehrt. Bisher bekannt war schon, dass die T-Zellen in geringer Zahl in den Darm-Lymphknoten entstehen. Die MHH-Arbeitsgruppe „Mukosale Immunologie“ konnte nun zeigen, dass dies aber nur der erste Schritt zur Toleranzbildung ist. „Ebenso wichtig ist es, dass die in den Lymphknoten gebildeten Zellen anschließend in den Darm einwandern und sich dort vermehren. Sonst kann es zu allergischen Reaktionen kommen“, sagt Professor Pabst.

Sein Team fand darüber hinaus heraus, dass Darm-residente Makrophagen die Vermehrung der regulatorischen T-Zellen steuern. „Diese Makrophagen im Darm sind ein sinnvoller und neuer Ansatzpunkt, um die Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln zu beeinflussen. Mit ihrer Hilfe könnten Entzündungsreaktionen im Darm kontrollierbar werden und Nahrungsmittelallergien vermieden werden“, erläutert er. Diese Idee basiert auf Forschungsergebnissen, die die Arbeitsgruppenmitglieder Usriansyah Hadis, Benjamin Wahl und Olga Schulz im Rahmen ihrer Dissertation am MHH-Institut für Immunologie erzielten.

Weitere Informationen erhalten Sie von Professor Dr. Oliver Pabst, E-Mail: Pabst.Oliver@mh-hannover.de. Telefon (0511) 532-9739.

Ein Foto kann in der Pressestelle der MHH angefordert werden.

Die Originalarbeit finden Sie unter http://www.cell.com/immunity/abstract/S1074-7613(11)00037-9

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Stefan Zorn idw

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