Gesundheitsstandort Haushalt – Hilfe und Betreuung durch Computertechnik und Telemedizin

Neben Krankenhäusern und Arztpraxen wird der Privathaushalt als Gesundheitsstandort immer wichtiger. Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen hier neue Chancen für das Gesundheits- Engagement zuhause.

Allerdings sind die Möglichkeiten der telematischen Gesundheitsüberwachung (Telehealth Monitoring) und informationstechnischen Hilfe im Wohnumfeld (Ambient Assisted Living) bisher in Deutschland nur zögerlich aufgegriffen worden, wie aktuelle Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT) und der Ruhr-Universität Bochum zeigen. Zwar wächst derzeit bei vielen Medizinern wie auch in der Wohnungswirtschaft das Interesse an den technischen Möglichkeiten, die Umsetzung steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Der größte Teil der 2,13 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland (2005) wird zu Hause betreut. 46 Prozent – fast eine Millionen Menschen – werden zu Hause ausschließlich durch Angehörige, meistens Ehefrauen und Töchter oder andere nahe stehende Personen versorgt; 22 Prozent durch 11.000 Pflegedienste betreut, die dafür insgesamt 240.000 Beschäftigte eingestellt haben. Dauerhafte Betreuung und Unterstützung benötigen zudem ca. eine Million Demenzkranke.

Die Institution Haushalt in Deutschland ist damit mit Abstand die größte Pflegekraft – allerdings z. T. nur spärlich durch die Pflegeversicherung unterstützt. Etwa 2,4 Millionen Menschen engagieren sich in Haushalten im Pflegebereich. Unter der Annahme, dass jede dieser Haushaltskräfte im Durchschnitt ein Viertel einer Vollzeitstelle leistet, addiert sich dieses Engagement auf ein Volumen von 625.000 Vollzeitstellen bzw. ein Marktvolumen von etwa 46 Milliarden Euro, errechneten die IAT-Wissenschaftler.

Neben der Pflege gewinnt der Bereich Homecare – die Versorgung chronisch Kranker und Nachbetreuung von Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt – an Bedeutung. Wichtige Impulse erhielt Homecare durch Fortschritte bei der Medizintechnik und durch die Einführung der Integrierten Versorgung, die ja vor allem darauf zielt, teure Krankenhausaufenthalte abzukürzen und dafür die Vor- und Nachbetreuung von Patienten zu verbessern. Als relativ neue Versorgungsform sind deren Potenziale noch keineswegs voll entfaltet. Zum Beispiel werden von den mittlerweile über 60.000 Dialysepatienten in Deutschland nur 3.500 als Heimdialysepatienten zuhause behandelt.

Die modernen Informations- und Kommunikationstechniken breiten sich in der Gesundheitswirtschaft immer weiter aus: Die Hausnotrufsysteme haben inzwischen in Deutschland eine mehr als 25-jährige Geschichte und immerhin mindestens 350.000 Anwender/-innen, am Ausbau ihrer Technik und ihres Funktionsumfanges wird gearbeitet. Die Patientenberatung via Internet hat eine sehr große Quantität erreicht, an der Qualitätsverbesserung des Informationsangebots wird gearbeitet. Das Telehealth Monitoring wird momentan verstärkt in den Bereichen Kardiologie und Diabetes eingesetzt, ist jedoch noch nicht zu einer Routinebehandlungsform geworden und hat in anderen medizinischen Disziplinen immer noch den Charakter von Pilotvorhaben.

Intelligent eingesetzte Gesundheitstelematik kann die Möglichkeiten des „dritten Gesundheitsstandorts“ Haushalt vergrößern. Der Erfolg von Anwendungen der Gesundheitstelematik im Haushalt ist abhängig von der Berücksichtigung der Perspektiven aller Beteiligten. Derzeit gibt es seitens der Forschungs- und Technologiepolitik in Deutschland und Europa eine Offensive zur Entwicklung und Erprobung von eHealth-Lösungen und von altersgerechten Assistenzsystemen.

Die Innovationslandschaft besteht allerdings noch aus vielen kaum miteinander vernetzten Inseln, was zu Doppelarbeiten und Effizienzverlusten führt, so das IAT. Problematisch ist ferner, dass in vielen Bereichen noch immer unklar ist, welche Leistungen perspektivisch von Kostenträgern übernommen werden und welche aus anderer Quelle bezahlt werden müssen.

Damit sich das Innovationsgeschehen im Bereich des Haushalts nicht verzettelt, sollte ein automatisches Innovationsmonitoring aufgebaut werden, schlägt das IAT vor. Bei diesem Innovationsmonitoring sollte man keineswegs ausschließlich auf die technischen Möglichkeiten fokussieren. Sinnvoller erscheint, es als einen Bestandteil einer umfassenden Unterstützungsstrategie für den Haushalt als Gesundheitsstandort zu sehen, in dem z. B. auch familien- und sozialpolitische Überlegungen eine Rolle spielen. Kooperationspartner für das Innovationsmonitoring könnten die Gesundheitsregionen sein, die sich ohnehin als Innovationstreiber engagieren und einen Überblick darüber haben, wie in ihren Zuständigkeitsbereichen das Innovationsgeschehen läuft.

Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Wolfgang Paulus, Durchwahl: 0209/1707-131, E-Mail: paulus@iat.eu
PD Dr. Josef Hilbert, Durchwahl: 0209/1707-120, E-Mail: hilbert@iat.eu
Weitere Infos im Internet:
IAT Forschung Aktuell, Nr. 2008/11
Heinze, Rolf G. / Hilbert, Josef / Paulus, Wolfgang, 2008:
Der Gesundheitsstandort Haushalt: Mit Telematik in eine neue Zukunft?
http://www.iat.eu/forschung-aktuell/2008/fa2008-11.pdf
Institut Arbeit und Technik
der Fachhochschule Gelsenkirchen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen
Tel.: +49-209/1707-176
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