Genvariante verantwortlich für Kommunikationsstörung im Gehirn

Forschern am ZI (Mannheim) u. an der Abt. Medizin. Psychologie (Univ. Bonn) ist es gelungen, Auswirkungen dieser Genvariante auf Funktionen des Gehirns zu identifizieren.

Gesunde Träger dieser Genvariante zeigen eine gestörte Zusammenarbeit von Hirnarealen, die wesentlich an Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeitslenkung und Emotionsverarbeitung beteiligt sind. Damit ist erstmals ein gesicherter Mechanismus identifiziert worden, durch den Gene das Risiko für diese Erkrankungen vermitteln.

Gesunde Träger einer häufigen Genvariante, die das Risiko für Schizophrenie und bipolare Störung erhöht, zeigen Zeichen der gestörten Zusammenarbeit von Hirnarealen, die wesentlich an Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeitslenkung und Emotionsverarbeitung beteiligt sind. Dies berichten Christine Esslinger, Andreas Meyer-Lindenberg und Peter Kirsch vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Universität Heidelberg/Medizinische Fakultät Mannheim sowie Henrik Walter von der Abteilung für Medizinische Psychologie an der Klink für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Bonn im Wissenschaftsmagazin SCIENCE (Ausgabe vom 1.5.2009).

Damit ist erstmals ein gesicherter Mechanismus identifiziert worden, durch den Gene das Risiko für diese schwerwiegenden Erkrankungen vermitteln – eine Entdeckung, die auch der Therapieforschung in diesem Bereich neue Impulse geben kann.

Schizophrenie und bipolare Störung (manisch-depressive Erkrankung) sind häufige, schwere und oft chronische seelische Erkrankungen. Obwohl ihre Ursachen noch weitgehend unklar sind, so ist doch bekannt, dass erbliche Faktoren (Genvarianten) den Löwenanteil des Risikos für beide Erkrankungen tragen. Eine internationale Arbeitsgruppe konnte im letzten Jahr die erste mit hoher Sicherheit mit dem Erkrankungsrisiko verbundene Variante in einem Gen namens ZNF804A identifizieren.

In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzwerks (NGFNplus) geförderten und von Andreas Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit initiierten Projektes ist es nun den Arbeitsgruppen in Mannheim (um Peter Kirsch und Marcella Rietschel) und Bonn (um Henrik Walter und Sven Cichon) gelungen, die Auswirkungen dieser Genvariante auf die Funktion des Gehirns zu identifizieren.

Dazu untersuchten sie 115 gesunde Personen mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie (fMRT). Bei Trägern der Risikogenvariante zeigte sich eine veränderte Kommunikation des dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC), einem für das Arbeitsgedächtnis und höhere“ Hirnfunktionen wesentlichen Areal, mit anderen Hirnregionen: Während die Aktivität zwischen rechtem und linkem DLPFC bei Risikogenträgern weniger stark gekoppelt war, zeigte sich zwischen DLPFC und dem Hippokampus, einer weiteren für das Gedächtnis wichtigen Hirnregion, dagegen eine verstärkte Kopplung (siehe Abbildung). Beide Auffälligkeiten waren schon früher bei Patienten mit Schizophrenie nachgewiesen worden.

Darüber hinaus zeigte sich bei Risikoträgern auch eine verstärkte Kopplung der Amygdala, einer zentralen Struktur der Emotionsverarbeitung, mit mehreren anderen Hirnregionen. Diesen Befund bringen die Forscher mit der bipolaren Störung in Verbindung, die durch starke Stimmungsschwankungen gekennzeichnet ist.

Schon vor mehr als 100 Jahren hatte der deutsche Psychiater Carl Wernicke vermutet, dass die Schizophrenie auf eine gestörte Zusammenarbeit von Hirnarealen zurückzuführen ist. Die neue Arbeit bestätigt diese Vermutung durch eine innovative Kombination von moderner Genetik und Hirnbildgebung und verknüpft sie zugleich mit molekularen Faktoren. Die Funktion des durch das Gen ZNF804A kodierten spezifischen Proteins ist zwar bislang noch unklar, doch wird es derzeit intensiv als möglicher Ansatzpunkt von neuen Therapieformen untersucht. „Es ist eindrucksvoll, dass wir mit modernen Bildgebungsmethoden derart subtile Geneffekte im lebenden Gehirn aufspüren können“, so Professor Peter Kirsch, Leiter der Arbeitsgruppe Hirnbildgebung am ZI. „Die Genvariante trägt nur einen geringen Anteil zu diesen Störungen bei“ beruhigt Dr. Christine Esslinger (ZI).

Beteiligt an der Studie waren weiterhin Leila Haddad, Daniela Mier, Kyeon Raab und Stefanie Witt (alle ZI) sowie Claudia Arnold, Susanne Erk, Knut Schnell und Carola Opitz von Boberfeld (alle Univ. Bonn). Weitere Förderung erhielt die Studie von der DFG (SFB 636-B7, Universität Heidelberg).

Media Contact

Sigrid Wolff idw

Weitere Informationen:

http://www.zi-mannheim.de

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