Forscher des Robert Koch-Instituts entwickeln Impfverfahren gegen Tumoren

Dass das Abwehrsystem des Körpers einzelne Krebszellen zerstören kann, ist schon seit langem bekannt. Forscher haben daher seit Jahren versucht, die natürlichen Waffen des Immunsystems gezielt gegen entartete Zellen zu nutzen. Einen Durchbruch gab es bisher jedoch nicht – ist einmal ein Tumor entstanden, scheint die körpereigene Abwehr zu kapitulieren.

Dabei kann das Immunsystem des Menschen sehr aktiv eingedrungene Erreger wie Viren und Bakterien bekämpfen. Dazu wendet es zwei Strategien an: Zum einen werden spezielle Eiweiße, sogenannte Antikörper, gebildet, welche sich an die fremden Erreger haften und diese dadurch unschädlich machen. Nach diesem Prinzip funktionieren die gängigen Impfstoffe – sie regen die Bildung neutralisierender Antikörper an und schützen so vor Infektionen. Doch diese Antikörper können kein Krebsgewebe angreifen.

Die zweite Abwehrschiene des Immunsystems bilden die Killer-T-Zellen. Killer-T-Zellen sind in der Lage, bereits von Erregern befallene Körperzellen zu zerstören und so die Ausbreitung des Erregers aufzuhalten. Dazu werden sie zuvor von anderen, eigens spezialisierten Zellen des Immunsystems auf den Eindringling programmiert. Danach erkennen die Killer-T-Zellen den Erreger und attackieren ihn, wo immer sie ihn antreffen. Auch dieses Prinzip des Immunsystems ist erfolgreich bei der Abwehr von Infektionen, und auf den Killer-T-Zellen ruhen einige Hoffnungen im Kampf gegen Krebs. Allerdings ist es bisher nicht gelungen, Impfverfahren zu entwickeln, die eine Neubildung solcher Killer-T-Zellen und deren Programmierung gegen Tumorgewebe im Körper wirksam anregen.

Genau das ist jetzt einer Forschergruppe am Robert Koch-Institut in Berlin gelungen. Die Arbeitsgruppe um Richard Kroczek hat ein Verfahren entwickelt, das sehr effektiv die Vermehrung und Aktivierung von Killer-T-Zellen im Körper auslöst – und zwar erstmals so, dass sie auch Tumore wirksam angreifen.

Zu Beginn dieser Arbeiten war bereits bekannt, dass spezielle Zellen im Körper für das Scharfmachen der Killer-T-Zellen verantwortlich sind: Es sind die sogenannten dendritischen Zellen. Das sind Elemente des Immunsystems, die Bestandteile von eingedrungenen Erregern aufnehmen, den Killer-T-Zellen als Ziel präsentieren und diese so gegen den Erreger scharf machen.

Die Gruppe um Prof. Richard Kroczek hat zunächst einen Weg gefunden, wie Erregerbestandteile in dendritische Zellen von Mäusen direkt und spezifisch eingeschleust werden können, was bisher nicht möglich war. So ist es erstmals gelungen, das Scharfschalten der Killer-T-Zellen präzise zu steuern.

Dieses Einschleusen geschieht über eine bestimmte Andockstelle an der Oberfläche der dendritischen Zellen. An diese Stelle docken kleine Moleküle aus dem Blut an, sogenannte Chemokine. Die Forscher nutzen ein solches Chemokin als Transportmittel für ihre Impfstoffe. Dockt das Chemokin mit seiner fremden Fracht an der Oberfläche der dendritischen Zelle an, wird das Impfpräparat in die dendritischen Zellen aufgenommen und den Killer-T-Zellen präsentiert. Die Killer-T-Zellen werden auf diese Weise speziell auf die Erreger-Bestandteile programmiert: Sie erkennen vom Eindringling befallene Körperzellen und eliminieren diese.

Im nächsten Schritt hat die Arbeitsgruppe von Richard Kroczek dieses Impfverfahren so modifiziert, dass die Killer-T-Zellen danach auch Tumore attackieren. Dabei wurden die Transport-Chemokine statt mit Teilen bakterieller Erreger mit Informationen aus den Tumorzellen beladen. Die Folge: Killer-T-Zellen greifen erstmals auch Tumor-Gewebe an, das sie vorher nicht erkennen konnten. Dieser Effekt konnte sehr erfolgreich an Mäusen mit Tumoren gezeigt werden.

Die Methode der Arbeitsgruppe wurde vor kurzem im internationalen „Journal of Immunology“ veröffentlicht – doch die Forscher am Robert-Koch Institut sind inzwischen viel weiter: Sie können die Killer-T-Zellen mit Hilfe bestimmter Wachstumsfaktoren im lebenden Körper zur Vermehrung anregen, so dass viel mehr Killer-T-Zellen entstehen als in älteren Versuchen. „Konnten wir früher 5 Prozent aller Killer-T-Zellen gegen einen Tumor programmieren, so sind es jetzt zehn Mal mehr, bis zu 50 Prozent aller Killer-T-Zellen im Körper“, sagt Richard Kroczek, Leiter der Forschungsgruppe.

Da die spezielle Andockstelle an der dendritischen Zelle, der XCR1-Rezeptor, auch beim Menschen ausschließlich auf den dendritischen Zellen vorkommt, ist das neue Impfverfahren auf das menschliche Immunsystem übertragbar.
„Im Tiermodell war das Verfahren wirklich sehr erfolgreich – es ist zum ersten Mal gelungen, das Immunsystem in diesem Ausmaß gegen Tumore zu aktivieren“ meint Richard Kroczek. „Wir hoffen sehr, dass die weiteren Studien zeigen werden, ob die Methode beim Menschen im Kampf gegen den Krebs sicher und erfolgreich eingesetzt werden kann.“

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 390.000.- Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontakt:

Prof. Dr. med. Richard Kroczek
Robert-Koch-Institut
Postfach: 650261
13302 Berlin

Mail: kroczek@rki.de
Tel. +49 (30) 18754-2450

Literatur: Hartung et al., Journal of Immunology 194 (2015) 1069

Wilhelm Sander-Stiftung
Goethestraße 74
80336 München
Tel: +49 (89) 544 187 0
Fax: +49 (89) 544 187 20
Web: www.sanst.de

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