Wenn die „Feuerwehr“ zu spät kommt: Gestörter Proteinabbau sorgt für Muskelerkrankungen

Neue Erkenntnisse über bestimmte Muskelerkrankungen, die Filaminopathien, berichtet ein internationales Forscherteam unter Federführung von Dr. Rudolf Andre Kley vom Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil der RUB in der Zeitschrift Brain.

Die Wissenschaftler vom Muskelzentrum Ruhrgebiet (Leiter Prof. Matthias Vorgerd) an der Neurologischen Universitätsklinik (Direktor Prof. Martin Tegenthoff) kooperierten mit Kolleginnen und Kollegen von elf Instituten aus sieben Ländern. Unter anderem fanden sie heraus, dass Schutzmechanismen zur Bekämpfung krankhafter Proteinablagerungen bei Filaminopathie-Patienten nicht richtig funktionieren. Daraus ergeben sich neue Ansatzpunkte für Therapien, die das Team nun an Zellkulturen testen will.

So entstehen Filaminopathien

Mutationen im Filamin C-Gen (FLNC) verursachen Filaminopathien, die sich in einer fortschreitenden Muskelschwäche bis hin zum Verlust der Gehfähigkeit äußern. Muskelfasern sind aus Myofribrillen aufgebaut, für deren Entwicklung und Erhalt das Protein Filamin C entscheidend ist.
Die in der Studie untersuchten Mutationen bewirken eine sogenannte myofibrilläre Myopathie; die Myofibrillen lösen sich an bestimmten Stellen auf und mutiertes Filamin C und weitere Proteine lagern sich massiv in den Muskelfasern ab.

Unterstützung des Proteinabbaus startet nicht rechtzeitig

Die Forscher zeigten, dass die krankhaften Proteinablagerungen den üblicherweise in Zellen stattfindenden Proteinabbau stören. Normalerweise produzieren Zellen sogenannte Hitzeschockproteine, die den Abbau von Proteinablagerungen fördern und dafür sorgen, dass andere Proteine ihre richtige dreidimensionale Struktur annehmen. „Diese Schutzmechanismen scheinen aber erst dann vermehrt aktiviert zu werden, wenn der kritische Punkt überschritten ist. Es sieht so aus, als würde die ‚Feuerwehr‘ zu spät gerufen“, sagt Dr. Kley.
„Wir hoffen, durch eine frühzeitige Behandlung mit Substanzen, die die Produktion von Hitzeschockproteinen stimulieren oder den Proteinabbau auf andere Weise beeinflussen, den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen zu können. Um das zu überprüfen, haben wir ein Zellkulturmodell entwickelt, das es uns ermöglicht, erste Therapiestudien im Labor durchzuführen.“

Krankheitsbild genauer charakterisiert

Die Studie der Filaminopathie-Patienten erlaubt es den Medizinern auch, das Krankheitsbild nun genauer zu beschreiben. Das Herz ist stärker von der Krankheit betroffen als zunächst angenommen, was den plötzlichen Herztod auslösen kann. Außerdem bestätigte sich, dass krankhafte Umbauprozesse in der Beinmuskulatur einem spezifischen Muster folgen, das auf kernspintomografischen Aufnahmen sichtbar ist. „Das ermöglicht es uns, Filaminopathien gegenüber anderen Muskelerkrankungen aus der Gruppe der myofibrillären Myopathien abzugrenzen“, erläutert Dr. Kley.

Titelaufnahme

R.A. Kley et al (2012): Pathophysiology of protein aggregation and extended phenotyping in filaminopathy, Brain, doi: 10.1093/brain/aws200

Weitere Informationen

Dr. Rudolf Kley, Muskelzentrum Ruhrgebiet, Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum, Tel. 0234/302-4774
rudolf.kley@rub.de

Redaktion: Dr. Julia Weiler

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Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de

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