Cellulose im Knie
Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie testen die Orthopäden des Jenaer Universitätsklinikums neuartige Biomaterialien als Knorpelersatz. Bioaktive Nanocellulose soll als Gerüst für den Aufbau neuen Knorpelgewebes dienen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Verbundprojekt „BioInside“ mit 4 Millionen Euro.
In den Gelenken dient Knorpel als eine Art Stoßdämpfer für die Knochen. Das druckelastische oder faserige Stützgewebe fängt Druck- und Scherkräfte ab, die bei allen Bewegungen auf die Knochen einwirken. Wird die Knorpelsubstanz aber durch Verschleiß, Stoffwechselstörungen oder Unfälle beschädigt und in ihrer Funktion eingeschränkt, so greifen diese Kräfte direkt am Knochen an, was sehr schmerzhaft ist.
Um den Patienten mit Arthrose, Erkrankungen wie Osteochondrosis dissecans oder nach Sportunfällen zu helfen, suchen die Orthopäden nach Verfahren, wie die Knorpelmasse in Knie, Sprunggelenk oder auch zwischen den Wirbeln repariert oder ersetzt werden kann. „Wir wollen eine Gerüststruktur aus Nanocellulose in das Gelenk einbringen, an die sich Knorpelzellen an- bzw. einlagern und so neue funktionsfähige Knorpelsubstanz bilden können“, beschreibt Prof. Dr. Raimund W. Kinne vom Jenaer Universitätsklinikum das Vorhaben.
Diese Nanocellulose ist ein ganz besonderes Material. Es wird in den Laboren der Jenpolymer materials Ltd. & Co. KG, einer Ausgründung aus der Friedrich-Schiller-Universität, von Bakterien hergestellt. So wird der Vielfachzucker Cellulose, der in der Pflanzenwelt vielfältig als Faser und Gerüst dient, zu einem Biomaterial mit vielen Einsatzmöglichkeiten. „Nanocellulose zeichnet sich durch Hydrophilie und breite chemische Modifizierbarkeit aus“, schwärmt der Organochemiker und Entwicklungsleiter Prof. Dr. Dieter Klemm von dem Material, das auch als Ersatz für kleine Blutgefäße verwendet werden kann.
Die bakteriell synthetisierte Nanocellulose ist durch ihren hohen Wasseranteil ein guter Kandidat als Ersatz für die Knorpelmatrix. Der eigentliche Clou aber sind eingebundene bioaktive Moleküle. Sie sollen die im Gelenk vorhandenen Knorpelzellen anlocken, ihr Einwachsen in die Matrix erleichtern und die Matrixbildung anregen. Diese Katalysatoren für die Knorpelneubildung, spezifische Eiweißmoleküle, werden von Firmenpartnern in Berlin, Jena und Aachen bearbeitet.
„Von diesen bioaktiven Molekülen versprechen wir uns die entscheidenden Vorteile gegenüber schon etablierten Knorpelersatzverfahren“, so Raimund W. Kinne. „Wir wollen die neue Knorpelmatrix zellfrei implantieren und so dem Patienten den bislang üblichen vorhergehenden Eingriff ersparen, bei dem gesunde Knorpelzellen entnommen wurden“, betont der Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Rheumatologie. Bisher werden die so gewonnenen Zellen im Labor auf der neuen Matrix kultiviert und mit ihr zusammen wieder eingesetzt.
In dem jetzt beginnenden und auf drei Jahre angelegten Projekt werden die Wissenschaftler die bioaktive Nanocellulose im Labor und in einem Tiermodell mit Knorpeldefekten testen. Damit wollen sie die klinische Erprobung des neuartigen Knorpelersatzes vorbereiten.
Das Verbundprojekt eröffnet der Nanocellulose noch weitere Anwendungsmöglichkeiten: Auch zur Bandscheibenreparatur und bei der Therapie von Hernien, wie zum Beispiel Leistenbrüchen, soll das Biomaterial zum Einsatz kommen.
Kontakt:
Prof. Dr. Raimund W. Kinne
Lehrstuhl für Orthopädie des Universitätsklinikums Jena
am Waldkrankenhaus „Rudolf Elle“ Eisenberg
Tel.: 036691 / 8-1228
E-Mail: raimund.w.kinne[at]med.uni-jena.de
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Weitere Informationen:
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