Bonner Ärzte mindern Lungenschäden bei Frühgeborenen: Verbesserte Methode macht maschinelle Beatmung fast überflüssig

Doch die derzeitig übliche Gabe von Surfactant unter maschineller Beatmung kann die Lunge schädigen. Etwa jedes fünfte vor der 33. Schwangerschaftswoche geborene Baby leidet als Folge der Beatmung unter einer chronischen Lungenkrankheit, der so genannten Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD).

Deshalb verzichten die Neonatologen am Universitätsklinikum Bonn auf eine künstliche Beatmung und geben Surfactant über eine Sonde direkt in die Luftröhre, während das Kind normal atmet.

Nils kam drei Monate zu früh auf die Welt – mit einem Geburtsgewicht von etwas über 500 Gramm ein Höchstrisikokind. Denn seine unreife Lunge produzierte noch kein Surfactant. Dieses Gemisch aus Eiweißen und Fetten senkt die Oberflächenspannung der Lungenbläschen. Ohne Surfactant fallen die Lungenbläschen – wie ein Zelt ohne Stangen – beim Ausatmen in sich zusammen. Die Kinder entwickeln ein lebensgefährliches Atemnotsyndrom.

Daher wurden sie bisher direkt nach der Geburt mit einem Schlauch durch die Nase hindurch bis in die Luftröhre intubiert und mehrere Tage maschinell beatmet. Die Ende der 80er Jahre eingeführte zusätzliche Gabe von aus Tierlungen gewonnenem Surfactant über den Beatmungsschlauch in die Lunge verbesserte die Überlebenschancen kleiner Frühgeborener enorm. „Doch die maschinelle Beatmung gefährdet die Lunge, da sie das empfindliche Gewebe überdehnen kann.

Mögliche Folge ist eine Bronchopulmonale Dysplasie“, sagt Dr. Markus Treichel, Oberarzt in der Abteilung Neonatologie am Universitätsklinikum Bonn. Die betroffenen Säuglinge leiden unter Atemnot, erhöhter Herzfrequenz und hohem Kalorienverbrauch durch die erhöhte Atemarbeit – schwere Atemwegsinfektionen, Rechtsherzbelastung sowie Wachstums- und Entwicklungsstörungen drohen.

Auch extrem kleine Frühgeborene können selber atmen

Daher boten die Bonner Neonatologen Nils Eltern an, Surfactant kurz nach der Geburt unter Spontanatmung zu geben, also ohne Anschluss eines Beatmungsgerätes. „Alles Notwendige sollte für unser Kind getan werden“, sagt Ulrike L. Am 11. November 2007 war es soweit, und Nils kam laut schreiend auf die Welt. „Er wollte selber atmen und brauchte nur unsere Unterstützung.

Früher wurde unterschätzt, was die Frühgeborenen schon alles können – ein Paradigmenwechsel in der Medizin“, sagt sein erstversorgender Kinderarzt Privatdozent Dr. Axel Heep, Leitender Oberarzt an der Bonner Universitäts-Neonatologie.

In den ersten Minuten nach der Geburt führten die Bonner Neonatologen vorsichtig eine Sonde – so dünn wie eine Kugelschreibermine – über die Nase in die oberen Atemwege. Dort gaben sie etwa 30 Tropfen Surfactant in die Lunge, der sich dort verteilte. Die Prozedur dauerte nur einige Minuten, erfordert aber viel Erfahrung. „Die Sonde ist kleiner als der Kehlkopf, und die Kinder können weiter atmen.

Bei einer Intubation dagegen verlegt der Schlauch die Atemwege“, erklärt Treichel. Meist reicht eine Gabe, denn rasch nach der Geburt beginnen die Säuglinge, selbst Surfactant zu produzieren. Anschließend wird über eine Maske Atemluft unter leichtem Überdruck in die Atemwege transportiert. Dieser leichte Überdruck hält die Lungen offen. „Die Kinder atmen selbständig und regulieren ihre Atmung selber. Wir müssen sie normalerweise nicht mehr maschinell beatmen, außer sie erschöpfen sich oder erkranken an einer Lungenentzündung“, sagt Treichel.

Das Team um Professor Dr. Dr. Peter Bartmann, Direktor der Neonatologie am Universitätsklinikum Bonn, konnte den Anteil der maschinell beatmeten Kinder, die vor der 33. Schwangerschaftswoche auf die Welt kamen, von 65 Prozent auf 52 Prozent senken. Zudem reduzierten sich die Beatmungstage von durchschnittlich elf auf fünf Tage. „Wir konnten eine sanftere Pflege der Frühchen erreichen und damit außerdem das Auftreten einer Bronchopulmonalen Dysplasie von 20 Prozent auf 9 Prozent senken“, freut sich Treichel.

Auch Nils brauchte keine maschinelle Beatmung und ist nun mit über fünf Kilogramm ein normales gesundes Kind. Seit Anfang Februar ist er bei seinen Eltern zu Hause und entwickelt sich wunderbar. „Wir sind stolz auf ihn, dass er alles so super gemacht hat, aber auch dankbar für die tolle Betreuung und Ratschläge seitens der Ärzte und Schwestern“, sagt die glückliche Mutter Ulrike L..

Kontakt für die Medien:
Professor Dr. Dr. Peter Bartmann
Direktor der Abteilung Neonatologie
Zentrum für Kinderheilkunde am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-33408
E-Mail: peter.bartmann@ukb.uni-bonn.de

Media Contact

Dr. Inka Väth idw

Weitere Informationen:

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