Bei geringerer Feinstaubbelastung bleibt die Lunge länger fit

Die Schweizer Lungenstudie SAPALDIA erbringt weltweit erstmals den Nachweis, dass sich die Verbesserung der Luftqualität, besonders die Reduktion der Feinstaubbelastung, auch für Erwachsene langfristig positiv auswirkt.

In sauberer Luft atmet es sich leicht. Das spürt man an Stellen mit hoher Luftschadstoffdichte sogar unmittelbar. Dem vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützen interdisziplinären Schweizer Forschungsprojekt SAPALDIA (Swiss Cohort Study on Air Pollution And Lung Diseases in Adults), das sich mit dem Zusammenhang zwischen langfristiger Luftschadstoffbelastung und der Gesundheit befasst, besonders der Atemfunktion, ist nun weltweit erstmals der Nachweis gelungen, dass auch Erwachsene langfristig von einer Verbesserung der Luftqualität profitieren. Die als kleine wissenschaftliche Sensation geltenden Ergebnisse werden im renommierten New England Journal of Medicine* publiziert.

Verringerte Feinstaubbelastung

Die Querschnittstudie SAPALDIA I diente dem Bundesrat 1998 als wissenschaftliche Grundlage für die Einführung der Immissionsgrenzwerte für Feinschwebestaub, also für Partikel mit einem Durchmesser unter 10 Mikrometern (PM10). Die Studie wurde 1991 mit 9651 zufällig ausgewählten Personen an acht Orten durchgeführt, und zwar in ländlichen Gebieten (Payerne, Wald), städtischen Agglomerationen (Aarau, Basel, Genf, Lugano) und Bergregionen (Davos, Montana). Für SAPALDIA II wurden dieselben Personen im Jahr 2002 erneut zur Befragung und Untersuchung eingeladen. Fast 90 Prozent der Teilnehmenden waren wiederum bereit mitzumachen. In den elf Jahren, welche die Erhebungen von SAPALDIA I von SAPALDIA II trennen, verringerte sich die Feinstaubbelastung an allen acht untersuchten Orten um 4,2 bis 7,5 Prozent.

Die Frage lautete, ob sich die Gesundheit von Personen, die einer hohen Schadstoffbelastung der Luft ausgesetzt sind, schneller verschlechtert als von Personen, die in einer weniger stark belasteten Umgebung leben. „Über die kurzfristigen Effekte der Feinstaubbelastung ist relativ viel bekannt“, sagt Ursula Ackermann-Liebrich, Co-Leiterin des Sapaldia-Projektes vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Basel. Als schwieriger hat es sich erwiesen, den langfristigen Einfluss von Luftschadstoffen zu belegen.

„Mit dem Alter nimmt die Lungenfunktion ab“, erklärt Thierry Rochat, Pneumologe am Universitätsspital Genf und Mitautor der Studie. Welche Rolle dabei die Luftqualität spielt, war vor SAPALDIA II wenig untersucht. Genaue Auskunft über die individuelle Entwicklung der Lungenfunktion lieferte den Forschern die so genannte Spirometrie, welche die Lungenkapazität, also das bei maximaler Anstrengung ausgeatmete Luftvolumen, das Erstsekundenvolumen, die Ausatmungsgeschwindigkeiten und andere Parameter misst.

Entscheidungshilfe für Festsetzung von Grenzwerten

„Zu Beginn der Studie lautete unsere Hypothese: Je stärker der Rückgang der Luftschadstoffbelastung, desto geringer sollte die altersbedingte Abnahme der Lungenfunktion sein“, sagt Ursula Ackermann. Diese Hypothese konnte nun belegt werden. „Die altersbedingte Abnahme der Lungenfunktion war dabei im Durchschnitt umso geringer, je stärker sich die Luftqualität im Wohngebiet einer Person verbessert hatte“, sagt Thierry Rochat. Auch Erwachsene profitieren also langfristig von einer Verbesserung der Luftqualität. Der bisherige Wissensstand beruhte auf Studien aus Kalifornien, die bei Kindern und im Wachstum befindlichen Jugendlichen eine Verbesserung der Lungenfunktion beobachteten, wenn diese aus Gegenden mit starker Feinstaubbelastung an weniger verschmutzte Orte umzogen.

Besonderes Gewicht legen die Forschenden auf die Tatsache, dass eine Reduktion der Feinstaubbelastung sowohl in städtischen Gebieten als auch in Höhenkurorten bei den untersuchten Personen zu verbesserter Lungenfunktion geführt hat. Die Schweiz weist keine hoch verschmutzte Luft auf, aber auch in Regionen mit guter Luftqualität hat der Unterschied einen Effekt. „Da die Verbesserung an allen acht Messorten nachweisbar ist, können die Resultate der Studie nun zur Festlegung von langfristigen Grenzwerten für Luftschadstoffe herangezogen werden“, ist Ursula Ackermann überzeugt.

* Sara H. Downs, Christian Schindler, L.-J. Sally Liu, Dirk Keidel, Lucy Bayer-Oglesby, Martin H. Brutsche, Margaret W. Gerbase, Roland Keller, Nico Künzli, Philippe Leuenberger, Nicole M. Probst-Hensch, Jean-Marie Tschopp, Jean-Pierre Zellweger, Thierry Rochat, Joel Schwartz, Ursula Ackermann-Liebrich und SAPALDIA-Team : „Reduced Exposure to PM10 and Attenuated Age-Related Decline in Lung Function“, New England Journal of Medicine, Vol. 357, Nr. 23, S. 2338-2347, 6.12.2007.

Kontakt:
Prof. Dr. med. Ursula Ackermann-Liebrich
Institut für Sozial- und Präventivmedizin
Universität Basel
Steingraben 49
CH-4051 Basel
Tel: +41 (0)61 267 60 66
E-Mail: ursula.ackermann-liebrich@unibas.ch
Prof. Thierry Rochat
Médecin-chef de Service
Service de Pneumologie
Hôpitaux Universitaires de Genève
CH-1211 Genève 14
Tel + 41 (0)22 372 99 02
E-Mail: thierry.rochat@hcuge.ch

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