Reparatur-Anleitung für zerstörtes Gewebe im Kopf-Hals Bereich

Patienten mit Erkrankungen im Hals-Kopf-Bereich werden, so hoffen die Forscher, in Zukunft von den vielfältigen Möglichkeiten der modernen Regenerationsmedizin zu profitieren. Über deren Einsatzmöglichkeiten und Stand diskutieren Experten vom 8. bis 12. Mai auf der 73. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie in Baden Baden.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 13.000 Menschen an Karzinomen in der Kopf- und Halsregion. Insbesondere Tumoroperationen im Gesichtsbereich machen anschließend in den meisten Fällen umfangreiche funktionelle und ästhetische Rekonstruktionen erforderlich. „Der ursprüngliche Zustand lässt sich trotz der Fortschritte in der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie oft nicht wieder herstellen“, sagt Dr. med. Hubert Löwenheim, Oberarzt an der Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik in Tübingen. „Wir versuchen daher, die körpereigenen Regenerationsmechanismen zu aktivieren, um fehlendes Gewebe möglichst vollständig zu ersetzen.“

Möglich ist dies beispielsweise durch den Einsatz körpereigener Stammzellen oder durch die Stimulation der Zellteilung mit Hilfe von Wachstumsfaktoren. Auch Biomaterialien, die Wissenschaftler außerhalb des Körpers mit Zellen besiedeln, können die Funktion zerstörten oder fehlenden Gewebes übernehmen. Als Ersatz für körpereigenes Knochengewebe eignen sich zum Beispiel biokompatible Materialien wie Hydroxylapatit oder Tricalciumphosphat, die in den verbleibenden Knochen implantiert werden. „Vorläuferzellen, aus denen sich Knochenzellen entwickeln, können dieses Trägermaterial anschließend besiedeln und neues Gewebe bilden“, berichtet Löwenheim.

Um die Neubesiedlung der Trägermaterialien zu verbessern, werden inzwischen auch Wachstumsfaktoren, so genannte Bone morphogenetic proteins (BMPs), zur Regeneration von Knochengewebe eingesetzt. „Diese Proteine“, so Löwenheim „können undifferenzierte Stammzellen aus dem Knochenmark dazu bringen, sich zu Knochenzellen zu differenzieren und auf dem Trägermaterial neues Knochengewebe zu bilden.“

Auch auf dem Gebiet der Knorpelregeneration ist die Forschung schon sehr weit vorangeschritten: In der Zellkultur besiedeln Forscher biokompatible Trägermaterialien mit Knorpelzellen und können so auch komplexe Strukturen wie Ohrmuscheln entstehen lassen. Transplantationsversuche mit derart rekonstruierten Ohrmuscheln sind bisher jedoch fehlgeschlagen, weil der Körper das Gewebe innerhalb mehrerer Wochen resorbiert. „Man sucht deshalb derzeit noch nach geeigneten Trägermaterialien und Wachstumsfaktoren, um die Regeneration der Knorpelstrukturen zu optimieren“, so Löwenheim.
Im Stadium der Grundlagenforschung befindet sich derzeit die Erforschung der Regeneration von Sinneszellen im Kopf-Hals-Bereich. „Insbesondere in die Erneuerung der Haarzellen und der Spiralganglienzellen im Innenohr setzen wir aber große Hoffnungen“, sagt Löwenheim. Da Experten allein in Deutschland von bis zu 12 Millionen Menschen mit Innenohrschwerhörigkeit ausgehen, ist dieser Ansatz von großer Bedeutung. Hinzu komme, sagt Löwenheim, „dass in Zukunft etwa zehn Prozent der jungen Generation aufgrund der zunehmenden Freitzeitlärmbelastung von Schwerhörigkeit betroffen sein werden.“

Die ersten Untersuchungen auf dem Weg zur Haarzell-Regeneration zeigen viel versprechende Ergebnisse: Mediziner konnten bereits mehrere Faktoren identifizieren, die die Differenzierung von Vorläuferzellen, den so genannten Stützzellen, zu Haarzellen steuern. „Wir haben in unserer Arbeitsgruppe beispielsweise das Molekül p27 gefunden, dass bei der Teilung der Stützzellen quasi als Bremse funktioniert“, berichtet Löwenheim. Indem sie das Molekül hemmten, konnten die Mediziner die Zellen wieder zur Teilung bringen. Einen Differenzierungsfaktor, der die Umwandlung der Stützzellen zu Haarzellen steuert, haben Forscher ebenfalls bereits identifiziert. „Wir kennen allerdings bisher nur einzelne Bausteine, aus denen sich der Regenerationsprozess zusammensetzt,“ so Löwenheim. „Diese müssen wir erst zu einem Gesamtbild zusammenfügen, um Patienten in Zukunft die ursprüngliche Hörfähigkeit wiederzugeben.“

Rückfragen an:
Dr. med. Hubert Löwenheim
Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik
Elfriede-Aulhorn Str. 5
72076 Tübingen
Tel.: 07071 / 2988-088
Fax.: 07071 / 2933-11
E-Mail: hubert.loewenheim@uni-tuebingen.de

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Dipl. Biol. Barbara Ritzert idw

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http://www.hno.org/

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