Antikörper stoppen Lymphdrüsenkrebs

Eine Behandlung mit Antikörpern vor der Transplantation kann die Entwicklung von Lymphdrüsenkrebs durch ein Epstein-Barr-Virus im ersten Jahr nach dem Eingriff verhindern. Dabei handelt sich um eine Antikörper-Prophylaxe gegen das Cytomegalie-Virus; sie kann offensichtlich auch das Epstein-Barr-Virus hemmen. Andere, häufiger eingesetzte Mittel gegen eine Virus-Infektion sind dazu nicht in der Lage.

Dies haben Wissenschaftler des Instituts für Immunologie am Universitätsklinikums Heidelberg unter der Leitung von Professor Dr. Gerhard Opelz festgestellt. Sie werteten dafür die Daten von mehr als 40.000 Patienten innerhalb der weltweiten „Collaborative Transplant Study“ (CTS) aus. Die wegweisenden Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Oncology“ veröffentlicht.

Rund zwei Prozent der Transplantierten erkranken am Lymphom

Transplantierte Patienten haben ein hohes Risiko, an einer sehr aggressiven Form von Lymphdrüsenkrebs, dem so genannten Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), zu erkranken; etwa die Hälfte der an NHL erkrankten Patienten stirbt daran. NHL wird durch eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus verursacht. Die Viren können mit dem Spenderorgan auf den Empfänger übertragen werden. Eine Infektion verläuft beim Gesunden mit intaktem Immunsystem meist ohne ernsthafte gesundheitliche Beschwerden; 80 bis 90 Prozent aller Erwachsenen sind Virus-Träger. Nach einer Transplantation muss das Immunsystem jedoch durch Medikamente unterdrückt werden, um eine Abstoßung des fremden Organs zu verhindern. Die geschwächte Abwehr kann das übertragene Epstein-Barr-Virus nicht bekämpfen. Die Folge: Weiße Blutzellen (Lymphozyten) wuchern unkontrolliert, ein NHL entsteht.

„Nierenempfänger entwickeln im Vergleich zur Normalbevölkerung circa 10 Mal häufiger, Herzempfänger sogar etwa 20 Mal häufiger ein Lymphom“, erläutert Professor Opelz, Ärztlicher Direktor der Abteilung Transplantationsimmunologie und Leiter der CTS-Studie. Etwa zwei Prozent der Patienten nach einer Nierentransplantation entwickeln im Verlauf von zehn Jahren ein NHL. Das erste Jahr nach der Transplantation ist besonders kritisch. Eine zuverlässige Vorbeugung steht bisher nicht zur Verfügung. Die Entwicklung eines Impfstoffs befindet sich noch in einem frühen Stadium.

Antikörper gegen Cytomegalie-Virus werden wegen hoher Kosten selten verabreicht

Die Heidelberger Forscher gingen nun der Frage nach, ob die vorbeugend verabreichte Therapie mit Antikörpern oder anderen Medikamenten gegen das Cytomegalie-Virus (CMS) möglicherweise auch das Epstein-Barr-Virus unterdrücken – und damit das NHL verhindern. In den europäischen Leitlinien für Nierentransplantationen wird eine solche Prophylaxe durch bestimmte Wirkstoffe („Antivirals“) empfohlen, obgleich bislang keine überzeugenden Daten vorliegen. Das Cytomegalievirus verursacht eine fiebrige Erkrankung, die tödlich ausgehen kann. Mit „Antivirals“ wie Acyclovir und Gancyclovir lässt sich das Virus wirksam in Schach halten. Das gelingt ebenfalls durch die Gabe von Antikörper-Präparaten, die allerdings wegen der hohen Kosten selten eingesetzt werden.

In Rahmen der CTS-Studie werteten Professor Opelz und seine Mitarbeiter die Daten von mehr als 44.000 Empfängern von Nierentransplantaten aus, die Antivirals oder Antikörper erhalten hatten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass antivirale Medikamente das Risiko von NHL bei Organempfängern im ersten Jahr nach der Transplantation nicht verringern – also keinen Schutz vor Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus bieten.

Schutzwirkung verschwindet nach dem ersten Jahr

Dagegen fanden die Heidelberger Wissenschaftler, dass bei mehr als 2.000 Patienten, die Antikörper-Präparate als Vorbeugung gegen das Cytomegalie-Virus erhalten hatten, im ersten Jahr nach der Transplantation kein einziges Lymphom aufgetreten war. „In den Antikörper-Präparaten gegen CMV wurden von uns auch Antikörper gegen das Epstein-Barr-Virus festgestellt. Wahrscheinlich sind diese anti-EBV Antikörper für die Verhinderung der Lymphomentstehung verantwortlich“, erklärt Professor Opelz.

Dies könnte auch erklären, warum im zweiten bis sechsten Jahr nach der Transplantation Non-Hodgkin-Lymphome nicht mehr verhindert wurden. Die Wirksamkeit der Antikörper hält nur einige Monate an, sie hatte daher nachgelassen. Deshalb könnte es sinnvoll sein, den Patienten nach einem Jahr eine erneute Dosis zu verabreichen. In einer Langzeitstudie wird die Heidelberger Arbeitsgruppe nun prüfen, ob ihre Interpretation der Ergebnisse richtig ist.

Daten von 400 Transplantationszentren weltweit gehen nach Heidelberg

An der „Collaborative Transplant Study“ (CTS) nehmen seit 25 Jahren mehr als 400 Transplantationszentren aus 45 Ländern freiwillig teil. Das weltweit größte Studienprojekt in der Transplantationsimmunologie wird durch das Institut für Immunologie des Universitätsklinikums Heidelberg koordiniert. Alle teilnehmenden Studienzentren dokumentieren und registrieren ihre Transplantationen, ein riesiger Datenpool mit mehr als 300.000 Einträgen für Nieren-, Herz-, Lunge-, Leber- und Bauchspeicheldrüsen-Transplantationen versorgt Wissenschaftler weltweit bei ihren Studien. Im Heidelberger CTS-Team arbeiten Experten aus der Immunologie, Medizin, Informatik, Statistik und Labortechniker.

Literatur:
G Opelz, V Daniel, C Naujokat, H Fickenscher, B Döhler: Effect of cytomegalovirus prophylaxis with immunoglobulin or with antiviral drugs on post-transplant non-Hodgkin lymphoma: a multicentre retrospective analysis. Lancet Oncology 2007, 8: 212-218.

(Die Literatur kann bei der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

Informationen im Internet:
www.ctstransplant.org
Ansprechpartner:
Professor Dr. Gerhard Opelz
Ärztlicher Direktor der Abt. für Transplantationsimmunologie
Institut für Immunologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 305
69120 Heidelberg
Telefon: 06221 / 56 40 13
E-Mail: gerhard.opelz@med.uni-heidelberg.de
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
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