Den Tumor durch seinen "Hunger" enttarnen

Prof. Dr. Sven Norbert Reske, Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Nuklearmedizin, nimmt den Preis der weltweit führenden amerikanischen Fachzeitschrift „Journal of Nuclear Medicine“ am Montag, 4. Juni, in Washington DC entgegen.

Prostatakrebs ist schwer zu erkennen: Ein Tumor in diesem Organ wächst nicht konzentriert an einer Stelle, sondern als verzweigtes Gebilde. Und er wächst langsam, so dass Veränderungen nur sehr schwer auszumachen sind. Oft wird ein Tumor in der Prostata daher erst gefunden, wenn er schon sehr groß ist. Die Heilungschancen sind dann wesentlich geringer als im Frühstadium. Professor Reske und sein Team haben eine Methode entwickelt, mit der Prostatatumore schon in einem viel früheren Stadium enttarnt werden können. Dazu haben die Wissenschaftler zwei Untersuchungsverfahren weiter entwickelt und kombiniert.

Das eine Verfahren enttarnt die Krebszelle durch ihren Stoffwechsel – denn der ist anders als bei normalen Zellen: Krebszellen der Prostata nehmen zum Beispiel vermehrt den Stoff Cholin auf, ein fettähnliches Molekül, das in der Leber des Menschen produziert wird. Um heraus zu bekommen, in welchen Zellen sich das Cholin sammelt, muss man es markieren. Dazu wird in das Cholin-Molekül ein radioaktiver Markerstoff eingebaut, der Patient bekommt dieses markierte Cholin gespritzt. Da die Radioaktivität der Markerstoffe schnell zerfällt, ist der Patient nur für kurze Zeit einer geringen Strahlung ausgesetzt. Mit einem speziellen Verfahren, der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET) kann man nun messen, wo in der Prostata die höchste Konzentration an Radioaktivität auftritt und so die besonders Cholin-hungrigen Krebszellen enttarnen.

Wirklich aussagekräftig wird diese chemische Enttarnung aber erst, wenn man sie räumlich genau zuordnen kann. Deshalb kombiniert man sie mit Bildgebungsverfahren wie der Computertomographie (CT) oder der Magnetresonanztomographie (MRT), die die Lage und den Gewebeaufbau der Prostata darstellen. Ein Vergleich: Sie zeigen an einer weißen Wand mit dem Finger, wo sich Fans im Fußballstadion versammeln. Wo das Fußballstadion liegt, wissen Sie erst, wenn Sie unter ihrem Finger einen Stadtplan an die Wand heften. Die Fan-Ansammlung unter ihrem Finger ist das markierte Cholin im Tumor, der Stadtplan ist das CT- oder MRT-Bild der Prostata.

„Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen mit einem solchen kombinierten Verfahren könnten die Sterblichkeit durch Prostatakrebs erheblich senken“, sagt Preisträger Professor Reske. Davon könnten viele Menschen profitieren – in Deutschland bildet die Hälfte der Männer über 50 ein Prostatakarzinom aus.

Für Professor Reske kam die Auszeichnung völlig überraschend – die Ehrung des „Journal of Nuclear Medicine“ ist die höchste des Fachgebiets, sieht aber kein Preisgeld vor. Die Ulmer Studie entstand in einer Kooperation der Universitätsklinik für Nuklearmedizin, der Universitätsklinik für Urologie unter Prof. Dr. Richard Hautmann und dem Institut für Pathologie unter Prof. Dr. Peter Möller. Aus den drei Ulmer Einrichtungen waren Dr. Norbert M. Blumstein, Dr. Bernd Neumaier, Prof. Dr. Hans-Werner Gottfried, Frank Finsterbusch, Darius Kocot, PD Dr. Gerhard Glatting und Dr. Sven Perner beteiligt.

Petra Schultze

Universitätsklinikum Ulm
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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