Reise durch den Darm

Die komplette Endoskopie-Kapsel ist kaum größer als ein Zäpfchen.

Die Spiegelung von Magen oder Darm ist bei vielen Erkrankungen des Verdauungstraktes noch immer Mittel der Wahl. Seit einigen Monaten kommt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik I der Universität Bonn zur Untersuchung des Dünndarms eine neuartige Methode zum Einsatz: Eine Mini-Kamera durchwandert dabei den Verdauungstrakt und funkt zweimal pro Sekunde Bilder nach außen, die später von den Experten ausgewertet werden. In einer Vergleichsstudie soll die Methode nun ihre Tauglichkeit bei der Früherkennung bestimmter Formen von erblichen Dünndarmpolypen beweisen, die beispielsweise zu Darmverschlüssen führen können.

Bislang schieben die Ärzte bei Spiegelungen von Magen oder Darm ein schlauchförmiges Endoskop in die Untersuchungsregion, mit dem sie sich die Veränderungen genauer ansehen und sogar Gewebeproben entnehmen können. Was bei Magen, Zwölffingerdarm und Dickdarm gut, stößt beim Dünndarm auf Probleme. Denn der liegt etwa in der Mitte des Verdauungstraktes und ist durch Mund oder After nicht zu erreichen. Dünndarm-Spiegelungen sind daher bislang mit einer Operation verbunden, in der der Chirurg Bauchdecke und Darm mit einem kurzen Schnitt öffnet, durch den die Ärzte dann das Endoskop fädeln können. „Die Kapsel-Endoskopie ist in solchen Fällen schonender“, erklären Professor Dr. Tilman Sauerbruch und Dr. Christian Scheurlen vom Universitätsklinikum Bonn. Das Prinzip ist pfiffig: In einer Kapsel von der Größe eines Zäpfchens stecken eine Mini-Digitalkamera, ein kleines Blitzgerät, ein Sender und eine Batterie. Auf dem Bauch trägt der Patient acht Sensoren, die als Empfänger fungieren. Sie sind mit einem Datenrekorder verbunden, der am Gürtel des Patienten befestigt ist und die empfangenen Bilder aufzeichnet.

Wird die Kapsel geschluckt, durchwandert sie – ähnlich wie normalerweise der Nahrungsbrei – den Verdauungstrakt und schießt dabei zweimal pro Sekunde ein Foto, das sie an die Sensoren sendet. Der Patient soll sich dabei ganz normal verhalten; er darf lediglich einige Stunden vor Beginn der Untersuchung und nach Einnahme der Kapsel nichts essen, da der Nahrungsbrei bei der Aufnahme stören würde. Nach der Untersuchung sichtet der Arzt den aufgenommenen Film – „das bedeutet vier bis fünf Stunden äußerste Konzentration“, betont Dr. Scheurlen.

„Die Qualität der Aufnahmen ist ausgezeichnet“, erklärt der Mediziner, „von Nachteil ist nur, dass wir keinen Einfluss auf Wandergeschwindigkeit und Blickrichtung der Kamera haben.“ Da kann es schon einmal sein, dass die Kapsel einige Minuten an einer völlig unauffälligen Stelle verweilt, während sie an krankhaft veränderten Darmregionen schnell vorbeigleitet. Auch kann der Arzt während der Untersuchung, die noch nicht von den Krankenkassen anerkannt ist und nur nach Absprache bezahlt wird, keine Proben des veränderten Gewebes entnehmen oder den Darm lokal etwas aufblasen, um bestimmte Veränderungen genauer zu erkennen. „Aber gerade in Fällen, die eine regelmäßige Untersuchung des Dünndarms erfordern – beispielsweise bei bestimmten erblichen Formen des Darmkrebses – hat die Methode wahrscheinlich viele Vorteile.“

Schwierig wird es, wenn die Ärzte bei der Endoskopie Schädigungen oder Tumore finden, die sie operieren müssen. Da sie aus der Wandergeschwindigkeit der Kapsel und der Zeit, zu der sie die kranke Dünndarmstelle passiert hat, nur ungefähr schließen können, wo die Schädigung liegt, kommt der Patient in einem solchen Fall momentan um eine herkömmliche intraoperative Endoskopie nicht herum. Die Hersteller arbeiten aber bereits mit Hochdruck an einer verbesserten Version der Kapselendoskopie, bei der die aufgeklebten Sensoren nicht nur die Bilder empfangen, sondern auch die Kapsel lokalisieren können.

„Für Untersuchungen von Magen oder Dickdarm stellt die neue Methode keine Alternative zur herkömmlichen Endoskopie dar“, ist Dr. Scheurlen überzeugt. Ob sie sich bei der Dünndarmspiegelung im Vergleich zu anderen Methoden wie der Computertomographie oder der herkömmlichen intraoperativen Endoskopie bewährt, muss sie noch beweisen. In der Medizinischen Klinik I läuft dazu unter Leitung von Professor Sauerbruch und Dr. Rainer Caspari in Kürze eine Studie zur Früherkennung von Neubildungen im Dünndarm, beispielsweise bestimmter Formen erblicher Dünndarmpolypen, an.


Ansprechpartner für die Medien: Professor Dr. Tilman Sauerbruch, Tel.: 0228/287-5216, Fax: 0228/287-4322, E-Mail: sauerbruch@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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