Wie lassen sich dilatierte Herzkranzgefäße dauerhaft offen halten?

Charité-Forscher finden neuen Ansatz zur Verhinderung von Wiederverschlüssen

Die Aufdehnung verengter oder bereits vollständig verschlossener Herzkranzgefäße (Ballondilatation) ist ein seit 20 Jahren weit verbreitetes und erprobtes Verfahren. Kardiologen wenden es allein in Deutschland im Jahr etwa 180 000 mal an, um einen drohenden Herzinfarkt zu verhindern oder – nach bereits eingetretenem Infarkt – weiteren Schäden am Herzmuskel vorzubeugen.

Leider haben die aufgedehnten Gefäße die Tendenz zum Wiederverschluss (zur „Re-Stenose“): Nach einem Jahr ist bei bis zur Hälfte der Patienten der dilatierte Gefäßabschnitt erneut verengt. Dies hängt damit zusammen, dass die Gefäßinnenwand bei der Dilatation verletzt wird und teilweise einreißt. Die so entstandene Wunde wird dann durch Zellen des Immunsystems und der Gefäßwand repariert: Es entsteht eine Art wucherndes Narbengewebe. Trotz verschiedenster Ansätze sind die Versuche, das Problem der Re-Stenosierung grundsätzlich zu beheben, bislang gescheitert.

Jetzt haben Wissenschaftler der Charité ein neues Prinzip erkannt, das den Ansatz zur medikamentösen Verhinderung des unerwünschten Wiederverschlusses bietet:
Frau Dr. Silke Meiners aus der Arbeitsgruppe um den Kardiologen Professor Karl Stangl und den Biochemiker Professor Peter-Michael Kloetzel, hat die grundlegenden Erkenntnisse, die zwar an Ratten gewonnen wurden, aber mit großer Wahrscheinlichkeit für alle Säuger (und also auch für den Menschen) gelten, jüngst in der angesehenen Zeitschrift „Circulation“ publiziert ([2002]; 105: 483-489).
Die Gruppe konnte zeigen, dass durch medikamentöse Hemmung eines Eiweißabbausystems, das in jeder Zelle vorhanden ist, die Häufigkeit von Re-Stenosen nach Ballondilatation um 75% (bzw. auf ein Viertel) gegenüber dem gegenwärtigen Stand verringert werden kann.
Eiweiß-(Protein-)abbausysteme oder „Proteasome“ sind große Proteinkomplexe in der Zelle, die darauf spezialisiert sind, geschädigte oder nicht mehr benötigte Proteine in der Zelle zu zerstören. Das Proteasom-System ist also eine Art Abfallbeseitigungsunternehmen und Sicherheitsprogramm für korrekte Zellfunktion.

Die Wissenschaft kennt bereits heute Substanzen, die die Arbeit des Proteasoms hemmen können. Solche Stoffe verhindern, dass die Zelle unbrauchbares Protein los wird, und blockieren wesentliche Prozesse, die die Zelle zum Überleben braucht. Spezialisierte Proteasom-Hemmstoffe werden daher neuerdings auch in der Krebsbehandlung eingesetzt. Die Charité- Gruppe konnte nun zeigen, dass geeignete Proteasom Hemmsubstanzen auch für die Kardiologie von großer Bedeutung sein können.
Im Zellversuch und am geeigneten Tiermodell (von Ratten und Schweinen) haben die Wissenschaftler dreierlei zeigen können:

Nach örtlicher Behandlung mit einem Proteasom-Hemmer (Arbeitsname: MG 132)

  • wird die Einwanderung von Immunzellen aus dem Blut in die durch Dilatation aufgeplatzte Gefäßinnenwand unterbunden,
  • unterbleiben weitgehend Wachstum und Teilung von Muskelzellen aus der Gefäßwand, die den Hauptanteil an der Re-Stenose der Gefäße ausmachen,
  • schalten die Zellen vermehrt ihr Selbstmord-(Apoptose-) Programm an.

Durch diese kombinierte entzündungs- und wachstumshemmende, und die Apoptose fördernde Wirkung blieb die gefürchtete Narbenbildung nach Ballondilatation an Ratten aus.
In Zukunft wird es darauf ankommen, die Hemmung des Protease-Systems als geeignete Maßnahme zur Verhinderungen von Re-Stenosen so spezifisch weiterzuentwickeln, dass der Wiederverschluss nach Dilatation von Gefäßen sicher ausbleibt, aber auch keine unerwünschten Nebenwirkungen eintreten.

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Dr. med. Silvia Schattenfroh idw

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