Blut-Hirn-Schranke kurzzeitig öffnen


Heilungschancen von Kindern mit Hirntumoren verbessern

Dank hochwirksamer Medikamente sind die Heilungschancen krebskranker Kinder heute besser denn je. Dies gilt jedoch oft nicht für Patienten mit einem Hirntumor. Der Grund: Die so genannte Blut-Hirn-Schranke verhindert, dass tumorzerstörende Wirkstoffe in das erkrankte Hirngewebe gelangen. Wissenschaftler an der Georg-August-Universität Göttingen ist es gelungen, diese Schranke für Krebsmedikamente kurzzeitig zu öffnen. Die Forscher testen die Methode nun erstmals bei Hirntumoren von Tieren. Außerdem untersuchen sie mögliche Nebenwirkungen. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt mit fast 280.000 Mark.

Jährlich erkranken in Deutschland rund 330 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren an einem bösartigen Hirntumor. Diese Krebserkrankung ist damit nach den Leukämien die zweithäufigste bei Kindern. Während die Heilungschancen vieler krebskranker Kinder in den letzten 20 Jahren durch eine gezielte Chemotherapie erheblich verbessert werden konnten, stagnieren die Überlebensraten beim Hirntumor – trotz Kombination von Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Der Grund: Hirntumoren können sehr unterschiedlich sein und müssen deshalb ganz individuell behandelt werden. Außerdem verhindert die so genannte Blut-Hirn-Schranke, die als Barriere das Hirngewebe vom Blutkreislauf trennt, dass die meisten bei einer Chemotherapie verwendeten zellzerstörenden Medikamente (Zytostatika) in das Gehirn gelangen.

Die Blut-Hirn-Schranke ist eine kontrollierte Sicherungseinrichtung des menschlichen Körpers, um die empfindlichen Nervenzellen des Gehirns vor schädlichen Stoffen wie Giften oder Stoffwechselprodukten von Krankheitserregern zu schützen. Nur sehr kleine und fettlösliche Medikamente können durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen. Die meisten der heute verfügbaren Zytostatika sind jedoch schlecht fettlöslich.

Ziel eines Forschungsprojektes an der Kinderklinik der Georg-August-Universität Göttingen unter der Leitung von Dr. Bernhard Erdlenbruch und Professor Dr. Max Lakomek, Abteilung Kinderheilkunde, Hämatologie und Onkologie, ist es, Verfahren zu entwickeln, die die Blut-Hirn-Schranke vor-übergehend öffnen, so dass Zytostatika in das erkrankte Hirngewebe eindringen können. Die Göttinger Forscher können mittlerweile erste Ergebnisse vorweisen. Erdlenbruch: „Durch die Verabreichung kleinmolekularer fett- und wasserlöslicher Substanzen, der so genannten Alkylglycerine, ist es uns im Tierexperiment gelungen, die Blut-Hirn-Schranke kurzfristig zu öffnen.“ Gleichzeitig verabreichten die Wissenschaftler Zytostatika, die in das Hirngewebe gelangen und sich dort um das zwei- bis über 500-fache anreichern. Das Ausmaß der Anreicherung konnte im Tierversuch durch die Wahl geeigneter Alkylglycerine und die Variation ihrer Konzentration sehr gut gesteuert werden. „Akute Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet“, betonte Projektleiter Erdlenbruch. Die Alkylglycerine werden von Professor Dr. Hansjörg Eibl vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie der Universität Göttingen hergestellt.

Zur Zeit testet die Göttinger Arbeitsgruppe die Methode bei der Behandlung von Hirntumoren bei Tieren. „Wir wollen den Mechanismus, der zur erhöhten Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke führt, eingehender abklären. Außerdem untersuchen wir mögliche spät auftretende Nebenwirkungen.“, sagten die Wissenschaftler. Die Deutsche Krebshilfe verspricht sich von dem Projekt ein neues therapeutisches Konzept für die Behandlung von Hirntumoren bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen. Insgesamt stellte die Spendenorganisation für die Forschungsarbeiten der Göttinger Arbeitsgruppe bereits rund 560.000 Mark bereit.

Infokasten: Krebs bei Kindern
Jährlich erkranken in Deutschland rund 1.750 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren neu an Krebs. Die häufigsten Krebsdiagnosen im Kindesalter sind Leukämien, Tumoren des zentralen Nervensystems/Gehirntumoren sowie bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems. Außerdem treten Neuroblastome, der Wilms-Tumor – eine Krebserkrankung der Niere -, Knochenkrebs und Keimzelltumoren häufiger auf. Die Ärzte haben die Überlebenschancen der kleinen Patienten erheblich steigern können: Während noch vor 30 Jahren fast jedes krebskranke Kind starb, werden heute rund 70 Prozent der Betroffenen geheilt. Bei manchen Krebsarten liegen die Heilungschancen sogar noch höher.

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Dr. med. Eva M. Kalbheim-Gapp idw

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