Daten von 14.500 Patienten ausgewertet: Kompetenzzentrum HIV/AIDS an der RUB stellt erste Ergebnisse vor

Von rund 14.500 mit HIV infizierten Patienten haben bundesweit Wissenschaftler seit Juni 2004 Daten gesammelt und zum Teil schon ausgewertet. Mit diesen 400 Daten pro Patient, die in 50 Zentren erhoben werden, können sie nun langfristig z.B. Infektionswege, die Wirkung von Medikamenten oder die Intensität der Infektion erkennen. Erste Ergebnisse aus diesem zweijährigen Datenregister, das vom Kompetenznetzwerk HIV/AIDS unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Brockmeyer koordiniert wird, wurden am 23.11.2007 im Vorfeld des 2. Deutsch-Japanischen HIV-Symposiums in Bochum vorgestellt. Mit diesem Register gewinnt Deutschland erstmals Anschluss an große internationale Kohortenstudien.

HIV-Infektionsrate um 13% gestiegen

Mit fast 40 Mio. Infizierten hat die weltweite Epidemie einen neuen Höchststand erreicht. Auch in Deutschland steigt die Infektionsrate weiter an, allein im Jahr 2005 ist sie um 13% gegenüber dem Vorjahr auf 2.500 Neudiagnosen gestiegen. Fast 50.000 Menschen sind in Deutschland derzeit HIV-positiv. Die Daten des neuen Patientenregisters zeigen, dass noch immer die Männer mit 84 Prozent die Hauptgruppe der Infizierten ausmachen. Das mittlere Alter aller Infizierten liegt bei 43 Jahren, die mittlere Erkrankungsdauer bei neun Jahren. 24 Prozent der Patienten haben eine AIDS-definierende Erkrankung, die bei 68 Prozent bei Männern und 64 Prozent bei Frauen antiretroviral therapiert wird. Nach wie vor ein Rätsel ist es für die Wissenschaftler, wieso bei etwa 100 von den rund 14.500 HIV-Infizierten die Krankheit nicht fortschreitet, obwohl diese so genannten Long-Term Non-Progressors nicht therapiert werden.

Gebündelte Internationale Kompetenz

Auf Basis dieser Patientenkohorte wurden zahlreiche Studien initiiert. Die Mitglieder im Kompetenznetz werten die Daten daraufhin aus, wie sich verschiedene Eigenschaften des Körpers, aber auch verschiedene Lebensweisen oder eine unterschiedliche medizinische Versorgung auf den Verlauf der Krankheit auswirken. Die große Untersuchungsmenge macht es möglich, solche Zusammenhänge besonders schnell zu erkennen. Mit der Patientenkohorte gewinnt Deutschland Anschluss an die internationale Forschung, sie ist das „Sprungbrett“, um mit großen Patientenzahlen und qualifiziert ausgewerteten Datensätzen an europäischen (Euro Vac, HIV Connect, ENTA, ENVA, NEAT, COHERE) und internationalen (CHAVI, SMART) Studien teilzunehmen. Ein Vorteil des internationalen Anschluss zeigt die Zusammenarbeit in der SMART-Studie, an der die Kohorten des Kompetenznetzwerkes beteiligt waren: Dabei kam heraus, dass Patienten, die ihre Therapie zeitweise unterbrechen eher AIDS-begleitende Infektionen erleiden als Patienten, die durchgängig therapiert werden.

Deutschland und Japan entwickeln sich ähnlich

Dass die internationale Zusammenarbeit bei solch einer weltweiten Epidemie notwendig ist, wird auch auf dem Deutsch-Japanisches Symposium am 24. November in Bochum dokumentiert. In der Zusammenarbeit mit japanischen Forschern werden Parallelen in der Entwicklung der HIV-Infektionen offensichtlich, insbesondere weil eine Reihe von Ähnlichkeiten zwischen Japan und Deutschland auffallen. Die Zahl der Neuinfizierten steigt in beiden Ländern seit einigen Jahren wieder an, in Japan infizierten sich im letzten Jahr 832 Menschen mit HIV. Homosexuelle Männer machen den größten Anteil der neu Infizierten aus.

Natürliche Immunität: eigene Abwehrkräfte stärken

Statt die Patienten mit „chemischen Keulen“ zu behandeln, versuchen Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dr. Reinhold E. Schmidt (MH Hannover) neuerdings gezielt die körpereigene Abwehr der Patienten zu verbessern. HI-Viren befallen bestimmte Zellen des Immunsystems, die so genannten T-Helferzellen, und vermehren sich in ihnen. Die

T-Helferzellen können dann ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, andere Zellen des Immunsystems bei der Abwehr von Krankheitserregern zu steuern. Bei fortgeschrittener Abwehrschwäche kann es zu lebensbedrohlichen opportunistischen Infektionen, zu Allergien und zur Entwicklung verschiedener Krebsarten kommen. Von Möglichkeiten, das Immunsystem zu stärken, könnte neben der HIV-Forschung auch die Krebsforschung profitieren.

Die Deutsche Aids-Hilfe vertritt die Stimme der Patienten

Das HIV-Kompetenznetz bündelt die Forschung verschiedener Arbeitsgruppen, die sich mit Grundlagen und Behandlungsmöglichkeiten von HIV befassen. Dabei wird es unterstützt von der Deutschen Aids-Hilfe (DAH), die sich als Vermittlungsstelle zwischen Patienten und Wissenschaftlern versteht. So sorgt sie dafür, dass die Patientenrechte bei der Planung neuer Forschungsprojekte berücksichtigt werden und hat bei der Entwicklung des Datenschutzsystems des Kompetenznetzes mitgewirkt. Im Jahr 2004 hat die DAH einen Patientenbeirat innerhalb des Kompetenznetzes eingerichtet. Hier können die Betroffenen selbst Themen für neue Projekte vorschlagen, so dass die Forschung sich an den tatsächlichen Interessen/Bedürfnissen der Patienten orientiert.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/AIDS; Klinik für Dermatologie und Allergologie im St. Josef-Hospital Bochum, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Tel. 0234/509-3474, n.brockmeyer@derma.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.kompetenznetz-hiv.de

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