Wirkt besser als das Potenzmittel

Das altbewährte Kortisonpräparat Dexamethason kann das Auftreten eines Höhenlungenödems beim Aufsteigen in große Höhen verhindern und zudem der Höhenkrankheit vorbeugen. Damit ist es sogar besser als das Potenzmittel Tadalafil, dessen Wirksamkeit bereits bekannt war. Dies haben Sportmediziner der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg und des Universitätsspital Zürich in einer Studie festgestellt, die in der Oktoberausgabe der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht worden ist.

Höhenkrankheiten sind lebensbedrohlich. Bis zu 60 Prozent alle Bergsteiger leiden bei raschem Aufstieg in 4500 m Höhe an Bergkrankheit, und 7 Prozent erleiden ein Höhenlungenödem, weil in der Höhe der Luftdruck sinkt und daher weniger Sauerstoff ist in der Atemluft enthalten ist. Die roten Blutkörperchen können nicht mehr genügend Sauerstoffmoleküle transportieren, um den Körpers ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.

Bei Sauerstoffmangel in der Höhe ziehen sich die Blutgefässe zusammen

Symptome der akuten Bergkrankheit wie Kopfschmerz, Übelkeit und Schwindel sind Ausdruck des Sauerstoffmangels im Gehirn. In der Lunge ziehen sich unter Sauerstoffmangel die Blutgefässe zusammen. Dadurch kommt es zum Austritt von Flüssigkeit in die Lungenbläschen, d. h. zu einem Lungenödem. Die Funktion der Lunge wird nachhaltig gestört: Die Betroffenen verspüren Atemnot, atmen flach und rasch, das Herz schlägt schnell, Husten stellt sich ein und die Körpertemperatur steigt. Der lebensbedrohliche Zustand bessert sich oft erstaunlich schnell, wenn der Abstieg rechtzeitig gelingt.

Die Wissenschaftler aus Heidelberg und Zürich untersuchten insgesamt 29 Testpersonen, die bereits an einem Höhenlungenödem gelitten hatten und unter strenger ärztlicher Kontrolle den Aufstieg zum über 4.500 Meter hoch gelegenen Schweizer Monte Rosa-Massiv unternahmen. Jeder Teilnehmer erhielt vor und während des 24-stündigen Aufstiegs zufällig entweder Dexamethason, Tadalafil oder ein Placebo. Welches Präparat sie erhielten, war weder den Teilnehmern noch den untersuchenden Medizinern bekannt. Die meisten Bergsteiger in der Placebogruppe entwickelten ein Höhenlungenödem, während nur wenige in der Tadalafi-Gruppe und keiner in der Dexamethason-Gruppe betroffen waren.

Da Tadalafil den Lungenarteriendruck senkt, war zu erwarten, dass es ein Höhenlungenödem verhindern kann, ebenso, dass Dexamethason die akute Bergkrankheit verhindert, was Tadalafil nicht bewirkt. „Das eigentliche überraschende Ergebnis dieser Studie liegt in der Tatsache, dass Dexamethason nicht nur die akute Bergkrankheit, sondern auch das Lungenhöhenödem verhindern kann“, erklärt Professor Dr. Peter Baertsch, Ärztlicher Direktor der Abteilung Sportmedizin der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht bekannt, die Forscher vermuten jedoch, dass Dexamethason unter anderem über Stickoxid (NO) die Lungengefäße erweitert.

Einnahme von Kortison vor dem Aufstieg (noch) nicht empfohlen

Sollte Bergsteigern, die anfällig für ein Lungenhöhenödem, das Kortisonpräparat vorbeugend einnehmen? Professor Baertsch empfiehlt, auf Medikamente beim Bergsteigen zu verzichten. Durch einen langsamen Aufstieg, bei dem in Höhen über 2000 – 3000 m die Schlafhöhe im Durchschnitt um nicht mehr als 300 – 500 m pro Tag erhöht wird, tritt in der Regel weder akute Bergkrankheit noch Höhenlungenödem auf. Da die Nebenwirkungen von Dexamethason im Vergleich zu anderen wirksamen Medikamenten wesentlich größer sein können, vor allem wenn diese über mehr als 2 bis 3 Tage eingenommen werden, ist dieses Medikament auch bei gegebener Indikation nicht erste Wahl. Dies könnte sich aber ändern, falls die Wirksamkeit auch bestätigt werden kann, wenn das Medikament mittels Inhalation (Asthmasprays) direkt der Lunge zugeführt wird.

Literatur:
Maggiorini M, Brunner-La Rocca H-P, Peth S, Fischler M, Böhm T, Bernheim A, Kiencke S, Bloch KE, Dehnert C, Naeije R, Lehmann T, Bärtsch P, Mairbäurl H. Both tadalafil and dexamethasone may reduce the incidence of high-altitude pulmonary edema. Ann Intern Med 2006;145:497-506.

(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden)

Kontakt:

Prof. Dr. med. Peter Bärtsch
Universitätsklinikum Heidelberg
Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Innere Medizin VII: Sportmedizin
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Tel: +49 6221 / 56 81 01
Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
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