Schlüsselloch-Operation im Mutterleib soll Leben retten

Das Universitätsklinikum Bonn untersucht in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mannheim eine neue vorgeburtliche Operationsmethode bei Ungeborenen mit schwerer Zwerchfellhernie. Durch ein Loch im Zwerchfell verlagern sich Bauchorgane in den Brustraum und behindern so die Lungen in ihrem Wachstum. Zwei Studien – die ersten ihrer Art in Europa – sollen klären, ob der Eingriff die Überlebenschance besonders schwer erkrankter Ungeborener verbessern oder zumindest ihre nachgeburtliche Behandlung erleichtern kann.

Um die vorgeburtlichen Eingriffe kümmert sich der Bonner Privatdozent Dr. Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie und minimal-invasive Therapie (DZFT) am Universitätsklinikum Bonn. Die nachgeburtliche Behandlung übernimmt das auf Neugeborene mit Zwerchfellhernien hoch spezialisierte Team um den Mannheimer Kinderarzt Dr. Thomas Schaible.

Eine so genannte Zwerchfellhernie tritt nach der Geburt bei einem von 2.500 Kindern auf. Durch den fehlenden Verschluss des Zwerchfells können sich Bauchorgane wie Magen, Milz und Darm in die kindliche Brusthöhle verlagern. Dadurch ist die Entwicklung der Lungen zum Teil sehr schwer beeinträchtigt. Für viele der Ungeborenen ist die Erkrankung lebensbedrohlich, da die Lungen nach der Geburt zu klein sind und die Kinder dann nicht atmen können.

Die in den ab Mitte Oktober 2006 geplanten Studien verwendete Methode der „Tracheal-Ballonokklusion“ wird ausschließlich im letzten Viertel der Schwangerschaft eingesetzt. Bei dem Eingriff führt Fetalchirurg Kohl über eine kleine Öffnung im Bauch der Mutter das Operationsgerät – so dick wie eine Kugelschreibermine – in die Fruchthöhle ein. Dann schiebt der Operateur unter Ultraschallkontrolle ein Fetoskop über die Mundhöhle des Ungeborenen in die Luftröhre. Anschließend platziert er einen Miniatur-Latexballon in der fetalen Luftröhre, den er dort aufbläst. Dadurch verschließt er den Atemkanal. „Die vorgeburtliche Lunge produziert ständig Wasser, das jetzt über die blockierten Atemwege nicht mehr abfließen kann. Der so aufgebaute Flüssigkeitsdruck soll die Lunge anregen zu wachsen“, erklärt Kohl das therapeutische Prinzip.

Die Lungenflüssigkeit bildet sich normalerweise, um die kleinsten Atemwege während der Entwicklung offen zu halten. Durch den künstlich ausgelösten Aufstau dehnt sich die Lunge zunächst aus, und Lungengewebe bildet sich neu. Nach zwei bis drei Wochen wird der Ballon innerhalb der Luftröhre durch einen Laser zerstört, denn die Atemwege müssen bei der Geburt wieder frei sein.

Ist der Ballon entfernt, wird die Schwangere von der Universitätsklinik Bonn an das Universitätsklinikum Mannheim verlegt. An der dortigen Neonatologischen Intensivstation hat das Team um den Kinderarzt Thomas Schaible landesweit die größten Erfahrungen mit der Behandlung von Neugeborenen mit Zwerchfellhernien. So können die Neugeborenen dort zeitweise auch mit einer künstlichen Lunge beatmet werden. Bei der Behandlung der vorgeburtlich operierten Kinder spielte diese bisher eine wichtige Rolle. Bereits seit 2004 besteht die Kooperation mit dem Universitätsklinikum Mannheim. „Nur in Kooperation mit den Mannheimer Spezialisten haben die Kinder die beste Chance zu überleben“, sagt Kohl. Zwischen dem siebten und elften Tag nach der Ballonentfernung wird die Entbindung eingeleitet und das Kind umgehend intensivmedizinisch versorgt. Dieses kurze Zeitintervall zwischen Ballonentfernung und Entbindung wurde gewählt, damit sich ein positiver Effekt der Ballonokklusion nicht wieder verliert.

„In beiden Studien planen wir jeweils bis zu 50 Ungeborene zu operieren. Wir hoffen, dass sich durch die vorgeburtlichen Eingriffe ihre Überlebenschancen deutlich verbessern. Nur dann könnte sich dieses Verfahren etablieren“, betont Kohl.

Kontakt:
PD Dr. Thomas Kohl
Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie & minimal-invasive Therapie (DZFT) am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/ 2871-5942
E-Mail: thomas.kohl@ukb.uni-bonn.de

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Dr. Inka Väth idw

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