Granulozyten: Molekulare Ausrüstung für variable Immunabwehr

Wissenschaftlern der Universität Regensburg sowie der Medizinischen Fakultät Mannheim ist ein bedeutender Schritt zur Erforschung der Immunabwehr gelungen: Sie haben entdeckt, dass die Granulozyten flexible Repertoires eines variablen Immunrezeptors – ähnlich dem des so genannten T-Zellrezeptors – ausbilden. Damit haben die Forscher erstmals den Nachweis erbracht, dass Granulozyten, die größte Gruppe von Immunzellen im Blut, neben den Lymphozyten eine weitere variable Immunabwehr im Körper sind, berichten sie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Das Team um Kerstin Püllmann und Alexander Beham von der Chirurgischen Universitätsklinik Regensburg und Wolfgang Kaminski vom Institut für Klinische Chemie am Mannheimer Universitätsklinikum konnte damit widerlegen, dass die Granulozyten lediglich unflexible Immunabwehrmechanismen besitzen. Über vier Jahrzehnte hinweg waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass das variable Immunsystem im Menschen und generell bei Säugetieren ausschließlich in den Lymphozyten lokalisiert ist. Dabei waren zwei Abwehrsysteme bekannt: Jenes der B-Lymphozyten, deren variable Immunrezeptoren als lösliche Antikörper in die Blutbahn freigesetzt werden, und jenes der T-Lymphozyten, die den so genannten T-Zellrezeptor an ihrer Oberfläche ausbilden. Diese Lymphozytensysteme sind in der Lage durch eine enorm hohe Anzahl variabler Antikörper auf spezifische Reize wie etwa Viren, Bakterien oder körperfremde Substanzen zu reagieren. Nach dem Kontakt mit einer Substanz, die als fremd erkannt wird, vermehren sich diejenigen Lymphozyten stark, an deren variable Immunrezeptoren das Antigen spezifisch bindet.

Innerhalb weniger Wochen stehen damit große Mengen von Lymphozyten bereit, die alle denselben maßgeschneiderten Antikörper beziehungsweise T-Zellrezeptoren produzieren und die dadurch in der Lage sind, Antigene spezifisch zu binden und effizient zu eliminieren. Nach der Abwehr verbleiben wenige dieser Lymphozyten im Organismus und bilden das „immunologische Gedächtnis“, das bei wiederholtem Antigenkontakt dann rascher als beim Erstkontakt aktiviert wird. Aufgrund dieser Anpassungsfähigkeit werden die beiden getrennten variablen Immunsysteme in B- und T-Lymphozyten gemeinsam als „adaptives“ Immunsystem bezeichnet.

Die Wissenschaftler haben nun aber entdeckt, dass das flexible Immunrezeptorsystem der Granulozyten als drittes Abwehrsystem zur Verfügung steht. Die Forscher gehen davon aus, dass damit ein neues Kapitel in der Entzündungsforschung eröffnet wird. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, inwiefern Granulozyten ein schnelles adaptives Immunsystem darstellen, das die langsame – durch Lymphozyten vermittelte – klassische adaptive Immunabwehr ergänzt.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.deutschland

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