Wenn "Frustessen" krankhaft ist: RUB-Psychologen bieten Therapie für Frauen mit Binge-Eating-Störung

Bis zu 1800 kcal verschlingen Patienten mit Binge-Eating-Störung bei einer typischen Ess-Attacke, oft ausgelöst durch Stress oder Streit, Langeweile oder Frust. Die kurzfristige Erleichterung durch die „Nervennahrung“ bezahlen sie mit quälender Scham oder Trauer.

Anders als Patienten mit Bulimie ergreifen die Betroffenen keine Maßnahmen wie Erbrechen oder Abführmittel, um ihr Gewicht zu regulieren, weswegen viele von ihnen übergewichtig sind. Hilfe gegen die erst kürzlich als Krankheit anerkannte Störung bietet das Zentrum für Psychotherapie der Ruhr-Universität (ZPT). In einer Gruppentherapie über zehn Sitzungen können Betroffene lernen, ein positives Körpergefühl aufzubauen. Interessierte können sich unter Tel. 0234/32-27788 oder per Mail (nadia.nasrawi@kli.psy.rub.de) informieren.

Trügerische „Nervennahrung“: Schokolade und Kekse

Als Hauptsymptom der Binge-Eating-Störung (BED) gelten Essanfälle, bei denen die Patienten insbesondere Nahrungsmittel mit hohem Fett- und geringem Proteinanteil verzehren, typischerweise Schokolade und Kekse. „Patientinnen beschreiben oft einen Kontrollverlust während dieser Essanfälle, d h. sie haben das Gefühl, nicht mehr mit dem Essen aufhören zu können und nicht mehr kontrollieren zu können was und wie viel sie essen“, erläutert Nadia Nasrawi. Die Essanfälle treten oft in Situationen auf, in denen die Betroffenen negative Gefühle wie Langeweile, Einsamkeit, Konflikte am Arbeitsplatz oder Streitigkeiten mit der Familie/dem Partner erleben. Somit dienen die Essanfälle einer kurzfristigen Verminderung von Anspannung. „Gegessen wird meist bis zu einem unangenehmem Völlegefühl“, erklärt Nadia Nasrawi, „und danach treten oft Scham- und Trauergefühle auf, worunter die Beteiligten sehr leiden.“

30% der Übergewichtigen sind von BED betroffen

Im Unterschied zur Bulimia Nervosa ergreifen Patientinnen mit der Binge Eating Störung anschließend keine systematischen „Gegenmaßnahmen“ zur Gewichtsregulation, wie z.B. Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln. Daher sind viele Frauen mit BED übergewichtig. Umgekehrt leiden ca. 30 Prozent der Übergewichtigen an einer Binge Eating Störung. Die Verbreitung in der Allgemeinbevölkerung liegt bei ca. 0,7-4,6 Prozent.

Die Einstellung dem eigenen Körper gegenüber leidet

Durch viele erfolglose Diätversuche, die die Frauen oft hinter sich haben, steigt die Frustration. Die Einstellung sich selbst gegenüber, insbesondere dem eigenen Körper gegenüber, leidet. So weisen verschiedene Studien darauf hin, dass Frauen mit einer Binge Eating Störung ein negatives Körperbild haben, d.h. ihren Körper ablehnen, und sehr oft über die Themen „Figur“ und „Gewicht“ nachdenken. „Viele Frauen mit Binge Eating Störung nehmen sich als dicker wahr als sie es sind und verstecken ihren Körper vor sich und anderen“, so Nadia Nasrawi. „Diese Symptomatik ist der von Magersucht und Bulimie sehr ähnlich.“

Erfolgreiches Konzept auf anderes Krankheitsbild übertragen

Da sich bei Magersucht und Bulimie die Körperbildtherapie als sehr erfolgreich erwiesen hat, haben die Forscher das Konzept nun auch auf die Binge Eating Störung übertragen. Erste Erfahrungen belegen, dass auch diese Frauen von der Körperbildtherapie profitieren können. Daher bietet die Ruhr-Universität eine Gruppentherapie mit zehn Sitzungen zu 90 Minuten an, die auf die Verbesserung des Verhältnisses zum eigenen Körper zielt. Inhaltlich wird neben der Erarbeitung der individuellen Entstehungsbedingungen des eigenen negativen Körperbildes das Augenmerk auf das Aufdecken und Verändern negativer Gedanken gelegt, die in Bezug auf den eigenen Körper bestehen (z.B. „Der Wert meiner Person hängt von meinem Gewicht ab.“). Einen weiteren Schwerpunkt der Gruppe bildet die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper per Spiegel und Video. Sie dient dem Abbau der negativen Gefühle und Einstellungen dem eigenen Körper gegenüber.

Durch diese Übungen sollen die Teilnehmerinnen außerdem darin unterstützt werden, auch positive Aspekte ihres Körpers zu entdecken. Im letzten Schritt sollen die Teilnehmerinnen das „neue“ Körpergefühl in den Alltag übertragen, indem sie das Vermeidungs- und Kontrollverhalten allmählich abbauen und regelmäßige positive körperbezogene Aktivitäten ausüben. „So unterstützen wir die Teilnehmerinnen darin, ihren Körper nicht mehr als 'Feind' anzusehen, den es zu bekämpfen gilt, sondern positive Erfahrungen mit ihm zu machen“, fasst Nadia Nasrawi zusammen.

Informationen für Interessierte Patientinnen

Interessierte Frauen mit der Binge Eating Störung, Magersucht oder Bulimie können sich im Zentrum für Psychotherapie (ZPT) an der Ruhr-Universität Bochum unter der Tel. 0234/32-27788 oder per E-Mail (nadia.nasrawi@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de) melden.

Weitere Informationen

Dipl. Psych. Nadia Nasrawi, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Psychologie, Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie, nadia.nasrawi@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de, Handy: 0177/3283828

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

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