Percutane Coronare Interventionen: Kein klarer Zusammenhang zwischen Menge der Eingriffe und Ergebnisqualität

Bei Percutanen Coronaren Interventionen (PCI) ist nach aktueller Studienlage insgesamt kein klarer Zusammenhang zwischen der Menge der durchgeführten Eingriffe und der Ergebnisqualität erkennbar. Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt gibt es zwar Hinweise, dass die Sterblichkeit während des Klinikaufenthaltes mit wachsender Zahl der Interventionen sinkt. Allerdings gilt dies nur für die Prozedurenmenge pro Krankenhaus, nicht jedoch für die Menge pro Arzt. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den das Institut am 2. August 2006 publiziert hat.

Generell bleibt unklar, ob sich die Qualität bei anderen Zielgrößen wie etwa nachfolgend auftretenden Herzinfarkten oder erforderlichen Bypass-Operationen verändert. Wie die Kölner Wissenschaftler feststellen, haben die derzeit verfügbaren Studien den Zusammenhang von Prozedurenmenge und Ergebnisqualität nur über sehr kurze Zeiträume untersucht und lassen deshalb keine langfristigen Aussagen zu.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG am 16. November 2004 beauftragt, die Literatur zur Mindestmengenthematik bei den Percutanen Transluminalen Coronaren Angioplastien (PTCA) mit und ohne Implantation einer Gefäßprothese (Stent) aufzubereiten und die Ergebnisse in Form eines Evidenzberichts darzulegen. Da bei der PTCA inzwischen zum überwiegenden Teil ein Stent eingesetzt wird und diese Prozedur international unter dem Oberbegriff PCI firmiert, hat das IQWiG Studien zur PCI recherchiert und bewertet.

Studien kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen

Die vom IQWiG bewerteten Studien, die beide Indikationen der PCI – den geplanten (elektiven) Eingriff bei einer Koronaren Herzkrankheit (KHK) und die Intervention nach einem akuten Herzinfarkt – gemeinsam analysierten, kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Das ist auch dann der Fall, wenn man nach Zielgrößen differenziert. So ist auch bei der am häufigsten untersuchten Zielgröße Sterblichkeit keine einheitliche Tendenz erkennbar – weder bei der Prozedurenmenge je Klinik noch bei der Menge je Arzt.

In Studien, die alleine die Patienten mit PCI nach einem Herzinfarkt untersuchten, gibt es mehrfach Hinweise, dass die Sterblichkeit mit steigender Zahl der Eingriffe pro Krankenhaus sinkt. Bezogen auf die Menge pro Arzt, suchten die IQWiG-Wissenschaftler jedoch vergeblich nach sicheren Zusammenhängen.

Die Sterblichkeit nach dem Eingriff wurde in allen Studien untersucht. Erfasst wurde in der Regel aber nur der Tod während der Dauer des Klinikaufenthalts. Dieser Parameter ist in seiner Aussagekraft jedoch eingeschränkt, weil besonders Patienten, die elektiv behandelt werden, in der Regel nur kurze Zeit stationär verbleiben und in diesem Zeitraum ein relativ niedriges Sterberisiko haben. Aussagekräftiger wäre eine Betrachtung beispielsweise der 30-Tage Mortalität. Tatsächlich haben aber insgesamt nur zwei Studien Sterbedaten nach der Entlassung aus der Klinik erhoben.

Ob nach der PCI andere wichtige Ereignisse eintraten, ob die Patienten beispielsweise einen Herzinfarkt erlitten, eine Bypass-Operation nötig war oder die PCI wiederholt werden musste, wurde in den bislang verfügbaren Studien nur sehr selten analysiert, sodass sie keine sicheren Rückschlüsse zulassen. Die Aussagen der wenigen verfügbaren Studien sind uneinheitlich, zum Teil sogar widersprüchlich.

Ein konkreter Schwellenwert für Mindestmengen, deren Einführung die Qualität der Versorgung steigern würde, lässt sich aus den vorliegenden Studien nicht ableiten.

Daten aus Interventionsstudien fehlen

Bei den in der IQWiG-Literaturanalyse ausgewerteten Studien handelt es sich um Registerstudien. Ein Teil analysierte Daten aus klinischen Registern, die Mehrzahl verwendete administrative Quellen, deren Daten ursprünglich für andere Zwecke, z.B. zur Abrechnung, erhoben wurden. In die Übersichtsarbeit des IQWiG wurden lediglich Studien eingeschlossen, die bestimmte Mindestanforderungen an die Berücksichtigung der Verteilung von Risikomerkmalen erfüllten (Risikoadjustierung). Die bislang vorliegenden Studien mit Daten aus klinischen Registern und manche Studien mit Daten aus administrativen Datenquellen haben über die Mindestanforderungen hinaus die klinische Vorgeschichte des Patienten berücksichtigt und entsprechend adjustiert. Jenseits dieser Risikoadjustierung lässt die Qualität der statistischen Analyse und ihrer Dokumentation in den meisten Fällen jedoch zu wünschen übrig. Jede Studie zeigte zudem mindestens einen Mangel in ihrer Berichts- bzw. Durchführungsqualität.

Um beurteilen zu können, ob und wie patientenrelevante Faktoren durch die Vorgabe von Mindestmengen beeinflusst werden, sind Daten aus Interventionsstudien nötig.

Da die meisten Studien Patientendaten aus dem Ausland auswerteten, ist unklar, ob sich die Ergebnisse auf die deutsche Versorgung übertragen lassen. Die einzige Studie, die auf deutschen Daten basiert, liefert zumindest Hinweise, dass hierzulande die Ergebnisqualität mit der Prozedurenmenge zusammenhängen könnte. Um die Bedeutung für Deutschland sicher zu bestimmen, könnten z.B. die Daten der externen stationären Qualitätssicherung bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) oder aber vorhandene Qualitätsregister der Fachgesellschaften herangezogen und unter dieser gezielten Fragestellung analysiert werden.

Hintergrund Mindestmengen

Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Anzahl der in einem Krankenhaus durchgeführten Operationen und der Sterblichkeit nach dem Eingriff wurde vor mehr als 25 Jahren erstmals in der US-amerikanischen Literatur aufgezeigt. Die Sterblichkeit in Krankenhäusern mit einer hohen Anzahl an durchgeführten Interventionen war geringer als in solchen mit geringer Leistungsmenge.

Für Deutschland verpflichtet § 137 Abs.1 Satz 3 Nr. 3 SGB V die Selbstverwaltung, einen Katalog planbarer Leistungen zu vereinbaren, bei dem die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistung abhängig ist. Da der Katalog jährlich um zusätzliche Indikationen erweitert werden soll, wurde das IQWiG beauftragt, die verfügbare Literatur zu bewerten und festzustellen, ob für die PTCA/PCI ein Zusammenhang festzustellen ist, der die Aufnahme dieses Verfahrens rechtfertigen könnte.

Hintergrund PCI/PTCA

Die PTCA ist ein etabliertes Verfahren zur Behandlung der mit Beschwerden verbundenen Koronaren Herzkrankheit (KHK) und des akuten Verschlusses der Herzkranzgefäße, dem Herzinfarkt. Bei der PTCA werden die Koronargefäße mit Hilfe eines Ballons (Ballondilatation) erweitert. Bei diesem Verfahren wird ein Katheter, an dessen Spitze sich ein Ballon befindet, zur Engstelle (Stenose) des betreffenden Herzkranzgefäßes geführt. Der Ballon wird unter hohem Druck aufgeblasen und so die Stenose aufgedehnt. Ziel dieser so genannten Revaskularisation ist es, die Durchblutung des Herzmuskelgewebes wiederherzustellen oder zu verbessern.

In den letzten Jahren hat sich das Verfahren der PTCA stetig weiterentwickelt. Es werden dabei zunehmend Gefäßprothesen (Stents) eingesetzt, die in die Stenose durch den Katheter eingeführt werden und sich dort selbstständig aufdehnen oder durch den Ballon an der Spitze des Katheters aufgedehnt werden und somit eine erneute Stenose des Gefäßes verhindern oder hinauszögern sollen.

Die Percutane Coronare Intervention (PCI) umfasst neben der Ballondilatation (PTCA) zusätzlich auch die Stent-Implantation und somit ein breiteres Spektrum an neueren perkutanen Techniken zur Behandlung der symptomatischen KHK.

Media Contact

Dr. Anna-Sabine Ernst idw

Weitere Informationen:

http://www.iqwig.de

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