Strahlentherapie: den Tumor präziser treffen

Bei den modernen Verfahren der Bestrahlungsplanung wird der Patient bildlich „in Scheiben zerlegt“, in denen der Arzt mit Mausklick jeweils das Bestrahlungsvolumen festlegt. Der Computer setzt diese einzelnen Schichten dann zu einem dreidimensionalen Bild zusammen und errechnet millimetergenau die Verteilung der Strahlendosis im Tumor und Organismus.

Jedoch stößt auch die Präzision einer optimalen 3-D- Bestrahlungsplanung bei ihrer Umsetzung an Grenzen der Natur: Viele Organe sind beweglich, sie verschieben sich beispielsweise mit der Atmung oder verändern sich bei verschiedenen Füllungszuständen des Magen-Darm-Traktes. Mit ihnen ?wandert? mitunter dann auch der Tumor oder das Zielgebiet der Strahlen. Bei zu knapp gewählten Bestrahlungsgrenzen kann so die Zielregion verfehlt werden, die Tumorzellen wuchern weiter. Wählt man andererseits die Grenzen des Bestrahlungsfeldes zu großzügig, so ist mit erhöhten Nebenwirkungen zu rechnen. Beispiel Prostatakrebs: Die Vorsteherdrüse liegt zwischen Darm und Blase und kann sich, je nach dem, wie diese gefüllt sind, entsprechend verschieben.

Wandernde Zielgebiete erfassen.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma liefern neuartige Geräte, die „wandernde“ Zielgebiete erfassen, ihnen aktiv folgen und so die räumliche Anordnung des Bestrahlungsfeldes nachjustieren können. Dabei wird das entsprechende Organ selbst bzw. die Tumorregion in allen anatomischen Einzelheiten unmittelbar vor der Bestrahlung bildlich dargestellt. Dies gelingt durch die zusätzliche Ausstattung des Linearbeschleunigers mit einer speziellen Röntgenvorrichtung, die am Bestrahlungsgerät montiert ist und computertomographische Aufnahmen von hoher Bildqualität erzeugt (sog.cone beam CT,s.Bild). Das Gerät ?erkennt? anhand dieses Bildes, ob die geplante mit der realen Situation übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, so berechnet der Computer die Abweichung und der Bestrahlungstisch verschiebt sich entsprechend. Anders als bisher muß also nicht der Patient vom Personal bewegt werden, sondern die Bildinformation steuert den Bestrahlungstisch. So wird die präzise Umsetzung der Bestrahlungsplanung bei jeder Sitzung kontrolliert und wenn nötig korrigiert. Dieses Verfahren nennt sich „Image Guided Radiotherapy“ (IGRT) und wurde kürzlich an einigen Zentren in Deutschland etabliert.

Scheibchenweise bestrahlen: Tomotherapie

Bildgestützt arbeitet auch die Tomotherapie, eine ebenfalls neuere Entwicklung. Der Kopf des Gerätes rotiert um den zu bestrahlenden Körperabschnitt. Dieser wird, wie bei einem herkömmlichen CT, allerdings mit viel durchdringenderer Strahlung, spiralförmig in Schichtbilder zerlegt. Das Gerät produziert jedoch nicht nur Bilder, sondern gleicht diese per Computer mit den Vorgaben der Bestrahlungsplanung ab. Ergibt die Überprüfung der Tumorlage eine Übereinstimmung mit der Bestrahlungsplanung, wird die entsprechende ?Körperscheibe? mit energiereichen Photonen bestrahlt. Das Gerät arbeitet sich dann schichtweise von oben nach unten durch die vorberechnete Bestrahlungsregion. In das Gerät integriert sind zahlreiche dünne Bleimetalllamellen, ein so genannter Multi-Leaf-Collimator, die während der Therapiesitzung in Sekundenbruchteilen bewegt werden können und die Strahlung entweder freigeben oder blockieren. Von dieser Technik erhoffen sich die Radioonkologen eine bessere Verteilung der Strahlendosis und damit eine weitere Verminderung von Nebenwirkungen. Das Verfahren steht jedoch noch in seinen Anfängen. Zu wissenschaftlichen Zwecken hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft bislang vier solcher Geräte an deutschen Universitätskliniken bewilligt.

PET-CT hält Einzug in die Bestrahlungsplanung

Ein weiteres bildgebendes Verfahren, die Positronen-Emissionstomographie (PET), liefert nicht nur Informationen über Form und Größe eines Tumors, sondern auch über dessen Stoffwechselaktivität: je aggressiver die Geschwulst ist, um so mehr radioaktiven Zucker speichert sie. Dies kann wiederum bildlich dargestellt werden. In der PET „leuchten“ kleinste Tumorabsiedelungen auf, die mitunter weder mit dem CT noch mit dem Kernspintomograph zu erkennen sind. In modernen Geräten sind PET und CT kombiniert, so dass die Schnittbilder rechnergesteuert direkt übereinander projiziert werden können und so die Tumorausdehnung noch exakter sichtbar machen. Dieses Verfahren wird derzeit intensiv erforscht und zunehmend für die Bestrahlungsplanung genutzt. Strahlentherapeuten des Universitätsklinikums Münster haben untersucht, welchen Einfluss die PET-CT-Informationen auf Planung und Gestaltung der Strahlentherapie haben. Bei 10 Prozent der Patienten zeigten sich vorher unentdeckte Metastasen, so dass eine Therapie mit dem Ziel der Heilung nicht mehr möglich war. Bei 22 Prozent änderte sich durch die zusätzlichen Informationen das Behandlungskonzept. Bei 25 Prozent der Patienten hatte die PET-CT gegenüber einer alleinigen CT-Planung Änderungen der Bestrahlungstechnik zur Folge. Als besonders wertvoll erwies sich die PET-CT Planung bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren: Hier zeigten sich bei 35 Prozent der Patienten krebsbefallene Lymphknoten, die vorher nicht bekannt waren.

In der strahlentherapeutischen Universitätsklinik Essen kam eine PET-CT-Planung bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Gebärmutterkrebs zum Einsatz. In 29 Prozent der Fälle ergaben Zusatzbefunde die Notwendigkeit einer Vergrößerung des Bestrahlungsfeldes.

Kontakt:
PRESSESTELLE DER DEGRO: Prof.Dr. med. Marie-Luise Sautter-Bihl, Klinik für Strahlentherapie, Städt. Klinikum Karlsruhe

Moltkestr. 90, 76133 Karlsruhe ? Tel.: 0721/974-4001, Fax: 0721/974-4009, Handy: 0172/7326404

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Barbara Ritzert idw

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