Wenn Spielen süchtig macht

Spielen macht Spaß. Doch aus dem Spaß kann sich eine Abhängigkeit entwickeln, wenn das Gehirn auf Dauer bestimmten Belohnungsreizen ausgesetzt wird. Die positiven Reize führen zur vermehrten Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin im Vorderhirn und – wie beim Konsum von Drogen – zum ersehnten Glücksgefühl. Als Folge wiederholter Belohnungsreize entsteht ein „Suchtgedächtnis“. Dies ist nach Ergebnissen einer Befragung von über 7000 Computerspielern bei mehr als jedem zehnten Spieler der Fall.

Die Berliner Forschergruppe um Dr. Sabine M. Grüsser-Sinopoli und Ralf Thalemann wollte wissen, wie sich exzessives Computerspiel auf die Hirnaktivität auswirkt. Die Forscher etablierten in zwei Gruppen von Spielern: sie verglichen 15 „normale“ Computerspieler mit 15 „exzessiven“ Computerspielern. Als exzessiv wurde eingestuft, wer mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllte: unstillbares Verlangen, Toleranzentwicklung, Entzugssymptome, Vernachlässigung anderer Interessen, Kontrollverlust, sowie anhaltend exzessives Spielen trotz schädlicher Folgen. In beiden Gruppen zeigten die Forscher den Spielern Fotos von neutralen Gegenständen, sowie ein Standbild aus einem Computerspiel. Sie untersuchten zwei verschiedene Hirnreaktionen auf die visuellen Reize: ein Elektroenzephalogramm (EEG) ermittelte die Aktivität der Gerhirnströme, ein Elektromyogramm (EMG) dokumentierte auf einen lauten Knall hin den Schreckreflex, ein Messinstrument für die emotionale Bedeutung von Reizen.

Das Ergebnis: exzessive Spieler zeigten eine deutlich erhöhte Hirnaktivität, wenn die Szene aus dem Computerspiel gezeigt wurde. Sie erschraken beim Anblick der Spielszenen viel weniger als beim Anblick neutraler Reize. (Wie war es bei den „normalen“ Spielern?) Das bedeutet, dass die Spielszenen bei den exzessiven Spielern sehr positiv besetzt sind.

„Zusammenfassend kann man sagen, dass die EEG- und EMG-Muster von exzessiven Computerspielern und Alkohol- oder Cannabissüchtigen vergleichbar sind. Das Belohnungssystem wird aktivert und die positiven Erfahrungen in einem Suchtgedächtnis im Gehirn gespeichert“, so Thalemann.

Die Spielsucht hat für den Spieler in der Regel ganz bestimmte Funktionen und Vorteile. Um von der Sucht loszukommen, müssen Eltern und Kinder herausfinden, welche Funktion das Spiel hat. In einem zweiten Schritt suchen die Beteiligten nach einer Alternative: welche anderen Tätigkeiten können diese Funktion – beispielsweise ein gesteigertes Selbstwertgefühl – übernehmen?

Anders als bei stoffabhängiger Sucht besteht bei der Spielsucht keine körperliche Abhängigkeit. Kinder und Jugendliche müssen daher nicht völlig auf das Computerspiel verzichten, sondern lernen, es kontrolliert zu betreiben. „Es ist wenig erfolgversprechend, nur das Scheitern zu bestrafen. Wenn Kinder die miteinander vereinbarten Regeln befolgen, sollten Belohnungen winken“, so der Expertenrat. Das müssen keine Geschenke sein. Die besten Belohnungen sind gemeinsame Aktivitäten, die Spaß machen.

ABSTRAKT Nr. S29.4

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Das Forum 2006 der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) wird veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Neurowissenschaften und der Deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. An der Tagung nehmen über 5000 Neurowissenschaftler teil. Die FENS wurde 1998 gegründet mit dem Ziel, Forschung und Ausbildung in den Neurowissenschaften zu fördern sowie die Neurowissenschaften gegenüber der Europäischen Kommission und anderen Drittmittelgebern zu vertreten. FENS ist der Europäische Partner der Amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften (American Society for Neuroscience). Die FENS vertritt eine große Zahl europäischer neurowissenschaftlicher Gesellschaften und hat rund 16 000 Mitglieder.

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Barbara Ritzert idw

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