Computersoftware macht Harnsteinpatienten Hoffnung

Röntgenaufnahme. Extreme Steinbildung in beiden Nieren. Beide Nierenhohlräume wurden innerhalb eines Jahres nahezu vollständig von Steinmaterial ausgefüllt ("Ausgußsteine"). (c) Urologische Klinik der Uniklinik Bonn

Harnsteine verursachen extreme Qualen – Mediziner sprechen von „Vernichtungsschmerzen“. Ein Ziel der Behandlung ist es daher, die Entstehung neuer Steine zu verhindern. Dennoch sind viele Patienten Dauergäste auf den urologischen Stationen. Denn oft schlägt die Therapie fehl, weil der Arzt nicht genau weiß, welche Faktoren die Harnsteinbildung ausgelöst haben. Ein Grund: Urinuntersuchungen sind nicht immer aussagekräftig; wenn ein Stein erst einmal wächst, verändert er unter Umständen dramatisch die Harnzusammensetzung. Forscher der Universität Bonn haben ein Computerprogramm entwickelt, das aus Wachstumsrate und Art des Steins die Zusammensetzung des Urins vor Beginn der Kristallisation berechnet. Die Wissenschaftler wurden dafür mit dem „Paul-Mellin-Preis 2006“ der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie ausgezeichnet. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert.

Harnsteine bilden sich, wenn bestimmte Mineralsalze im Urin so hoch konzentriert sind, dass sie auskristallisieren. Immer mehr Material lagert sich an den Kristallisationskeim an. Meist geschieht das in den Nieren. Wenn der Fremdkörper sich bemerkbar macht, ist er oft schon groß wie ein Kirschkern. Manche Steine füllen sogar das gesamte Nierenbecken aus. Wenn sie sich im Harnleiter verklemmen, sind extreme Koliken die Folge.

Die Ursachen der Steinbildung sind vielfältig. Eine genetische Veranlagung bildet in der Regel den Hintergrund der Erkrankung, Auslöser ist häufig eine unangepasste Ernährung. So kann der Genuss von Lebensmitteln, die viel Oxalsäure enthalten, die Steinbildung fördern – dazu zählt beispielsweise der Spinat. Im Urin kann sich die dann diese Säure mit Kalzium zu unlöslichem Kalziumoxalat verbinden, das sich am wachsenden Stein ablagert. „In diesem Moment verschwindet das Oxalat aber leider aus dem Harn und lässt sich nicht mehr nachweisen“, erklärt Dr. Norbert Laube von der Bonner Klinik und Poliklinik für Urologie, Abteilung Experimentelle Urologie. „Der Übeltäter ist gewissermaßen im Stein fixiert. Daher lässt sich das Urinbild mitunter nicht mit der Steingeschichte in Deckung bringen: Nach den gemessenen Werte dürfte der Patient oft gar keinen Stein haben.“

Zwei- bis dreifach höhere Konzentration

Beispiel Oxalsäure: Die eigentliche Konzentration liegt häufig zwei- bis dreifach höher als die Messwerte. „Anhand der Urinanalyse einen erfolgreichen Therapieplan zu entwickeln, ist manchmal fast unmöglich“, betont Laube. Zusammen mit seinen Mitstreitern Jörg Bradenahl, Michael Pullmann und Andreas Meißner hat er daher eine Software entwickelt, die die Harnzusammensetzung vor Beginn der Kristallisation abschätzen kann. „Unser Programm erlaubt gewissermaßen einen Blick in die Vergangenheit“, erklärt der Mineraloge.

Das Prinzip ist einfach: Aus zwei im Abstand von einigen Wochen aufgenommenen Röntgen- oder Ultraschall-Aufnahmen berechnet der Computer die Volumenzunahme pro Zeiteinheit. Aus den Patientenakten des jeweiligen „Dauerkunden“ weiß der Arzt zudem, wie bei ihm die Zusammensetzung früherer Steine war. Aus diesen Parametern sowie dem Urinfluss durch die betroffene Niere kann das Programm dann berechnen, wieviel von welcher Substanz der Stein pro Zeiteinheit bindet – und wie dieser Effekt die Harnanalyse verfälscht.

Der Arzt erhält so eine korrigierte Harnanalyse, die ihm hilft, den Ursachen der Steinbildung auf die Spur zu kommen. „Das Verfahren ist einfach und kostengünstig“, verspricht Laube. „Bei Patienten, die häufig unter Harnsteinen leiden und auf eine Therapie nicht ansprechen, erlaubt es möglicherweise Rückschlüsse auf die Ursachen.“

Kontakt:
Dr. Norbert Laube
Klinik und Poliklinik für Urologie am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-9106
E-Mail: norbert.laube@ukb.uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de/

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