Neues medikamentöses Therapiekonzept bei Vorhofflimmern

Experimentelle Grundlagenforschung im Kompetenznetz Vorhofflimmern hat neue Erkenntnisse über die pathophysiologischen Mechanismen von Vorhofflimmern hervorgebracht. Diese aktuellen Ergebnisse führen zu neuen medikamentösen Behandlungsansätzen, die zurzeit klinisch erprobt werden. Ein Beispiel ist die ANTIPAF-Studie.

Vorhofflimmern ist die häufigste behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörung, insbesondere bei älteren Menschen. Beim Vorhofflimmern wird die normale rhythmische Erregung der Herzvorhöfe durch eine hochfrequente ungeordnete Vorhofaktion unterdrückt. Typische Symptome sind „Herzstolpern“ und „Herzrasen“. Zudem ist Vorhofflimmern aufgrund der gesteigerten Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln innerhalb der Vorhöfe die häufigste Ursache für Schlaganfälle. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen werden im Kompetenznetz Vorhofflimmern untersucht. Ergebnisse dieser experimentellen Grundlagenforschung bilden die Basis für neue Behandlungsansätze, zum Beispiel für ein neuartiges medikamentöses Therapiekonzept, das zurzeit in der ANTIPAF-Studie erprobt wird.

Vorhofflimmern ist eine fortschreitende Erkrankung. Ist die Rhythmusstörung erst einmal aufgetreten, wird sie im weiteren Verlauf immer schwerer zu behandeln, je länger sie schon besteht. Grund dafür sind durch das Flimmern hervorgerufene Veränderungen der Vorhöfe, die ihrerseits zum erneuten Auftreten der Rhythmusstörung führen können. Diesen Teufelskreis zu unterbrechen, ist Ziel der medikamentösen Therapie. Die Behandlung mit den üblichen Antiarrhythmika ist jedoch mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden. Deshalb arbeiten im Kompetenznetz Vorhofflimmern Grundlagenforscher und klinisch tätige Ärzte zusammen, um alternative Therapieansätze zu entwickeln.

Helfen Angiotensin II Rezeptorblocker gegen Vorhofflimmern? Die ANTIPAF-Studie

Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass Narben im Vorhofgewebe, die durch die körpereigene Substanz Angiotensin ausgelöst werden, Vorhofflimmern begünstigen. Wissenschaftler des Kompetenznetzes Vorhofflimmern haben daraufhin in tierexperimentellen Modellen gezeigt, dass sich das Auftreten von Vorhofflimmern verringern lässt, wenn man die Wirkung des Angiotensins am Herzen blockiert. Medikamente, die genau dort ansetzen, sogenannte Angiotensin II Rezeptorblocker, werden bereits seit vielen Jahren gegen Herzinsuffizienz und Bluthochdruck eingesetzt. In wie weit diese Medikamente auch zur Behandlung von Vorhofflimmern geeignet sind, wurde bislang noch nicht in klinischen Studien erprobt. Dies geschieht zurzeit in der ANTIPAF-Studie, die im Kompetenznetz Vorhofflimmern unter der Leitung von PD Dr. Andreas Götte (Universitätsklinik Magdeburg) und Prof. Dr. Thomas Meinertz (Universitäres Herzzentrum Hamburg) und in Kooperation mit der Firma Sankyo Pharma durchgeführt wird.

Die ANTIPAF-Studie (Angiotensin II Receptor Blocker in Paroxysmal Atrial Fibrillation) untersucht die Wirksamkeit des Angiotensin II Rezeptorblockers Olmesartan (Hersteller: Sankyo Pharma) zur Verringerung von paroxysmalem, das heißt anfallsartigem, Vorhofflimmern. In der multizentrischen, randomisierten, placebokontrollierten Doppelblind-Studie soll die folgende Hypothese überprüft werden: Die Behandlung mit Olmesartan reduziert die Häufigkeit von paroxysmalem Vorhofflimmern um 25 Prozent gegenüber einer Placebogabe. In Kliniken und Praxen verteilt über ganz Deutschland werden über 400 Studien¬patienten ein Jahr lang entweder mit Olmesartan oder Placebo behandelt, wobei weder Arzt noch Patient wissen, zu welcher der beiden zufällig ausgewählten Gruppen der jeweilige Patient gehört. Bei allen Studienteilnehmern wird die Anzahl der Vorhofflimmerepisoden in diesem Zeitraum dokumentiert. Dazu wird jeder Patient mit einem scheckkartengroßen mobilen Tele-EKG-Gerät ausgestattet, mit dem er täglich ein EKG selbst aufzeichnet und telefonisch an die zentrale Auswertestelle übermittelt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch unbemerkte asymptomatische Vorhofflimmerepisoden erfasst werden. Mit der Patientenrekrutierung wurde Anfang 2005 begonnen.

Ergebnisse der Grundlagenforschung zeigen neue therapeutische Optionen auf

Leidet ein Patient an dauerhaftem Vorhofflimmern, so verliert seine Vorhofmuskulatur an Kontraktionskraft. Dadurch wird das Blut nicht genügend durchmischt, so dass sich leicht Blutgerinnsel bilden, die zu Schlaganfällen führen können. Die Kontraktionsstörung bleibt auch nach Beendigung des Flimmerns durch eine Kardioversion noch weiter bestehen. Neue Ergebnisse der Grundlagenforschung im Kompetenznetz Vorhofflimmern geben allerdings Hoffnung. Die Arbeitsgruppe von PD Dr. Ulrich Schotten (Universitätsklinikum Aachen) konnte zeigen, dass seit einigen Monaten flimmerndes menschliches Vorhofgewebe nicht so krank ist, wie bisher angenommen wurde. Diese Erkenntnisse lassen eine Therapie des Kontraktilitätsverlustes mit herzkraftsteigernden Medikamenten prinzipiell möglich erscheinen. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler am Flimmermodell in der Ziege nachweisen, dass Kaliumkanalblocker in der Lage sind, die Kontraktionskraft nach einer Kardioversion innerhalb von Minuten auf übernormale Werte zu steigern [Schotten et al. Circulation 2004; 100: III-97]. Mit Hilfe von Industriepartnern soll nun die Wirkung dieser Substanzen an Patienten erprobt werden.

Ein anderer medikamentöser Behandlungsansatz ergibt sich aus neuen Ergebnissen der Arbeitsgruppe von PD Dr. Dobromir Dobrev (Universität Dresden). Die Wissenschaftler haben im Vorhof von Patienten mit chronischem Vorhofflimmern einen krankhaft veränderten Kaliumkanal entdeckt. Der Kaliumkanal wird normalerweise durch den Vagusstoff Acetylcholin aktiviert. Bei Patienten mit Vorhofflimmern ist dieser Kanal auch ohne Anwesenheit von Acetylcholin aktiv und kann zum Aufrechterhalten der Arrhythmie beitragen [Dobrev et al. Circulation 2005; 112: 3697-3706]. Dieser Kanal könnte möglicherweise Angriffsort für ein zu entwickelndes neues Antiarrhythmikum sein. Aufgrund ihrer experimentellen Ergebnisse gehen die Forscher davon aus, dass durch medikamentöse Blockierung dieses Ionenkanals eine antiarrhythmische Wirkung erzielt werden kann.

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern

Im Kompetenznetz Vorhofflimmern arbeiten Wissenschaftler, Ärzte und Betroffene bundesweit zusammen mit dem Ziel, die Behandlung und Versorgung der Patienten zu verbessern. Das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk, das im Jahr 2003 seine Tätigkeit aufgenommen hat, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Zentrale des Kompetenznetzes Vorhofflimmern befindet sich am Universitätsklinikum Münster.

Netzwerksprecher ist Prof. Dr. Günter Breithardt, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik C, Kardiologie und Angiologie, am Universtätsklinikum Münster.

Sprecherin des Grundlagenforschungs-Bereichs C – Pathophysiologie
Prof. Dr. Ursula Ravens
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Technische Universität Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Tel 0351 / 458 6300
Fax 0351 / 458 6315
E-Mail: ravens@rcs.urz.tu-dresden.de

Leiter der ANTIPAF-Studie
PD Dr. Andreas Götte
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Universitätklinik Magdeburg
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Tel: 0391 / 6713225
Fax: 0391 / 6713202
E-Mail: andreas.goette@medizin.uni-magdeburg.de

Pressekontakt:
Dr. Angelika Leute
Kompetenznetz Vorhofflimmern, Netzwerkzentrale
Universitätsklinikum Münster
Domagkstraße 11
48149 Münster
Tel: 0202 / 2623395
Fax: 0251 / 83-45343
E-Mail: angelika.leute@ukmuenster.de

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