Gar nicht oder zu spät beim Facharzt – Rheumakranke Kinder in Deutschland unterversorgt

Rheumakranke Kinder in Deutschland sind fachmedizinisch drastisch unterversorgt. Schätzungen zufolge wird nur jedes dritte an Gelenkrheuma erkrankte Kind im Alter bis zu 18 Jahren einem Kinder- und Jugendrheumatologen vorgestellt. Die Kinder, die die Rheuma-Sprechstunde erreichen, kommen im Durchschnitt erst acht Monate nach Beginn der Symptome zum Facharzt. Das geht aus der Kinderkerndokumentation des Kompetenznetzes Rheuma (KNR) hervor, in der seit 1997 die Krankheitsverläufe rheumakranker Kinder und Jugendlicher erfasst werden. Derzeit gehen in die Dokumentation die Daten von etwa 3.000 jungen Patienten ein. Zugeliefert werden sie von rund 40 kinderrheumatologischen Einrichtungen.

Rund 15.000 Kinder unter 18 Jahren sind in Deutschland an Juveniler Idiopathischer Arthritis (Gelenkrheuma im Kindes- und Jugendalter) erkrankt. Die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr liegt bei rund 1.500. Die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung bei Kindern ist die Oligoarthritis. Bei dieser Krankheit, die oft schon im Kleinkindalter beginnt, sind zu Entzündungsbeginn weniger als fünf Gelenke befallen.

„Je früher ein Kind in die Fachsprechstunde kommt, umso besser kann ihm geholfen werden“, sagt Kinderärztin Dr. Kirsten Minden, Leiterin der KNR-Kinderkerndokumentation. Kinderrheumatologen fordern daher eine deutlich bessere Aus- und Weiterbildung sowie bessere Informationen zur Früherkennung der Juvenilen Idiopathischen Arthritis vor allem für Haus- und Kinderärzte sowie Orthopäden. „Derzeit gibt es an keiner Hochschule in Deutschland einen Lehrstuhl für Kinderrheumatologie“, sagt Dr. Minden.

Zugleich beklagen die Fachärzte einen Mangel an multidisziplinären ambulanten Behandlungsangeboten für Kinder. Wichtig, so Dr. Minden, sei vor allem die Zertifizierung qualifizierter Ärzte und Einrichtungen. Und auch die Kinderrheumatologen kämpfen um ihr Honorar: Der so genannte Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) 2000plus, die aktuelle Honorarordnung für Ärzte, bildet die Kinderrheumatologie nicht ab. Zwar dürfen die Kinderrheumatologen fachspezifische Leistungen der internistischen Rheumatologie abrechnen. Die Inhalte sind jedoch für die Kinderrheumatologie weder definiert noch angepasst worden. So zahlt ein Kinderrheumatologe etwa bei der Labordiagnostik drauf, weil er nur die pädiatrische, nicht aber die rheumatologische Pauschale berechnen darf.

Gänzlich vorbei geht der EBM 2000plus an den aktuellen Versorgungsstrukturen in der Kinderrheumatologie. 90 Prozent der ambulanten kinderrheumatologischen Versorgung werden derzeit in stationären Einrichtungen geleistet. Dort aber darf ein ermächtigter Arzt höchstens 156 Stunden pro Quartal für die Betreuung ambulanter Patienten aufwenden. „Die Betreuung rheumakranker Kinder ist zeitaufwendiger als die von Erwachsenen. Das Zeitbudget erlegt den betroffenen Einrichtungen erhebliche Einschränkungen auf, die die ambulante Versorgung rheumakranker Kinder gefährden“, ist Dr. Minden sicher. Die Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR) hat im letzten Herbst gegen die Zeit-Regelung bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Widerspruch eingelegt.

Ansprechpartner: Geschäftsstelle der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR), Dr. Kirsten Minden, Deutsches Rheumaforschungszentrum Berlin, Schumannstr. 21/22, 10117 Berlin, Fon: 030-28460632

Media Contact

Dr. Cornelia Rufenach idw

Weitere Informationen:

http://www.rheumanet.org

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