Ursache für Vergiftungsfälle mit Nano-Spray noch nicht vollständig aufgeklärt

Fachgespräch im BfR erbrachte kein eindeutiges Ergebnis

In einem Fachgespräch am 7. April 2006 haben Experten aus Giftinformationszentren, Wissenschaft, Industrie, Landesbehörden und dem Bundesinstitut für Risikobewertung die Ursache für 97 zum Teil schwerwiegende Vergiftungsfälle nach der Anwendung von neuartigen Versiegelungssprays mit Nanopartikeln analysiert. „Die Vorfälle haben gezeigt, dass die Einführung neuer Technologien in Verbraucherprodukten mit einer Abschätzung der möglichen Risiken bei der Anwendung verbunden sein muss. Die Wissenschaft hat die Pflicht, dies auch dem Verbraucher zu kommunizieren“, sagte BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas Hensel. Die Experten gehen davon aus, dass die beobachteten Gesundheitsstörungen durch das Einatmen eines sehr feinen Aerosols ausgelöst wurden. Aerosole mit einer Tropfengröße von 10 Mikrometern entstehen nur bei Ausbringen des Produkts aus Spraydosen mittels Treibgas. Tropfen dieser Größe gelangen tief in die Lunge und sind in der Lage, die Lungenfunktion zu beeinträchtigen. Ob die Nanopartikel als Bestandteil des Aerosols ebenfalls zu den beobachteten Gesundheitsproblemen beitrugen, war wegen fehlender Daten zu den toxikologischen Eigenschaften und zur Nanoskaligkeit der Partikel von den Fachleuten nicht abschließend zu klären.

Zwischen dem 27. und dem 30. März 2006 wurden den Giftinformationszentren in Deutschland und der Schweiz 97 Fälle von zum Teil schwerwiegenden Atmungsstörungen bis hin zum Lungenödem nach der Anwendung von zwei „Nano“-Versiegelungssprays aus Spraydosen des Herstellers Kleinmann gemeldet. Durch eine konzertierte Aktion von Giftinformationszentren, Landesbehörden und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sowie von Hersteller und Vertreibern wurden die verdächtigen Produkte innerhalb kürzester Zeit in Deutschland vom Markt genommen und die Verbraucher über Presseveröffentlichungen vor der Anwendung dieser Produkte gewarnt. Nach dem 30. März 2006 sind keine Zwischenfälle mehr gemeldet worden.

In einem Fachgespräch am 7. April 2006 haben 60 Experten aus Wissenschaft, Klinik, Behörden, Industrie und dem Bundesinstitut für Risikobewertung analysiert, ob die Gesundheitsbeschwerden wie Atemnot und Lungenödem durch die in den beiden Produkten enthaltenen Nanopartikel ausgelöst wurden oder ob andere, aus der Anwendung von traditionellen Imprägniersprays bekannte Noxen oder Gefahrstoffe dafür verantwortlich sind.

Der Vertreiber der beiden Versiegelungssprays konnte wegen fehlender Informationen seiner Vorlieferanten keine vollständige Rezeptur vorlegen. Eine abschließende toxikologische Beurteilung der akuten Lungenfunktionsstörungen nach Benutzung der beiden Produkte war daher im Fachgespräch nicht möglich.

Die Experten wiesen zudem darauf hin, dass eine klassische toxikologische Einzelbewertung der Bestandteile des Produktes bei einer Ausbringung als Aerosol mittels Treibgas nicht ausreicht. Es sind vor allem auch die physikalischen Eigenschaften wie die Tropfengröße des Sprays dafür entscheidend, ob und welche toxischen Effekte gerade im Bereich der Atemwege auftreten können.

Aus Vergiftungsfällen mit klassischen Imprägniersprays in Deutschland, Holland und der Schweiz ist bekannt, dass Produkte erst beim Eindringen in das Alveolargewebe der Lunge zu schweren Gesundheitsproblemen wie Atemnot oder Lungenödemen führen. Damit sie dorthin gelangen können, müssen die Tröpfchen sehr klein sein. Diese Tropfengröße wird nur beim Ausbringen mittels eines Treibgases bei einer entsprechend kleinen Düse im Sprühkopf erreicht. Werden dieselben Flüssigkeiten jedoch mit einem Pumpmechanismus ausgebracht, sind die Tröpfchen nicht unter 100 Mikrometer groß und erreichen nicht das Alveolargewebe.

Die Experten schließen nicht aus, dass die im fraglichen Zeitraum beobachteten toxischen Effekte bei der Anwendung der beiden Nano-Versiegelungssprays mit Treibgas allein durch die Ausbringung als Aerosol verursacht wurden. Da nicht bekannt ist, ob auch Nanopartikel mit dem Aerosol in die Lungen der Patienten gelangten und dort schädlich auf das Alveolargewebe einwirkten, bleibt gleichwohl eine mögliche Beteiligung dieser Partikel abzuklären.

Die Experten waren sich einig, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Produkten als Treibgassprays nur mit einer Teststrategie ermittelt werden können, welche die realen Anwendungsbedingungen im Innenraum simuliert. Denn toxische Effekte treten erst auf, wenn das Produkt selbst, also das gesamte Stoffgemisch der Rezeptur, als feiner Nebel mit entsprechend kleiner Tropfengröße eingeatmet wird. Dies gilt sowohl für Produkte mit als auch für Produkte ohne Nanopartikel.

Derartige toxikologische Prüfungen sollten deshalb die Hersteller eines Treibgas-Sprays vor dem Inverkehrbringen des Produkts durchführen und dokumentieren. Nur dann werden sie der im Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) formulierten Anforderung gerecht, dass „bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder vorhersehbarer Fehlanwendung Sicherheit und Gesundheit von Verwendern oder Dritten nicht gefährdet werden“.

Media Contact

Dr. Irene Lukassowitz idw

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