Transplantation von Händen – Eine erste Bilanz

Die weltweit zweite beidseitige Handtransplantation vor sechs Jahren in Innsbruck sorgte für großes Aufsehen. Vor drei Jahren wurden einem weiteren Patienten beide Unterarme transplantiert. Insgesamt wurden seit der ersten Handtransplantation 1998 in Lyon weltweit 22 weitere Transplantationen an 16 Patienten durchgeführt. Entgegen der Anfangs vorherrschenden Skepsis belegen die ersten Erfahrungen die Machbarkeit solcher Eingriffe.

In einem Beitrag im angesehenen American Journal of Transplantation ziehen die Innsbrucker Mediziner um Prof. Raimund Margreiter nach fünf Jahren Bilanz über die erste beidseitige Handtransplantation. „Bis jetzt wurden keine Anzeichen einer chronischen Abstoßung oder eine Funktionsverschlechterung festgestellt. Im Gegenteil, im Laufe der ersten fünf Jahre nach Transplantation zeigt sich eine kontinuierliche Besserung der Motorik sowie der Sensibilität. Der Patient ist indes mit dem funktionellen und kosmetischen Ergebnis sehr zufrieden“, resümieren die Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck. Dank neuer Immunsuppressiva trat die Transplantationsmedizin vor einigen Jahren in eine neue Ära ein. Im September 1998 wurde in Frankreich die erste erfolgreiche Handtransplantation durchgeführt, die erste beidseitige Transplantation im Jänner 2000 in Lyon und der zweite beidseitige Eingriff fand im März 2000 in Innsbruck statt. Damals wurden dem 47-jährigen Polizisten Theo Kelz beide Hände transplantiert.

Zwei Eingriffe in Innsbruck

Neben dem unbedingten Therapiewunsch des Patienten, der guten physischen und psychischen Verfassung und einem Alter zwischen 18 und 55 Jahren gilt in Innsbruck der Verlust beider Hände oder Unterarme als Voraussetzung für eine Handtransplantation. Dem Eingriff geht jeweils eine umfassende Aufklärung über die komplexe Behandlung und mögliche Risiken sowie eine sehr gründliche Untersuchung voraus. Neben Theo Kelz wurde in Innsbruck noch ein zweiter Patient behandelt, der bei einem Stromunfall beide Unterarme verloren hatte. Beide operativen Eingriffe wurden von Mitgliedern der Universitätsklinik für Plastische- und Wiederherstellungschirurgie gemeinsam mit dem handchirurgischen Team der Universitätsklinik für Unfallchirurgie durchgeführt. Koordiniert wurden die Behandlungen von Ärzten der von Prof. Raimund Margreiter geleiteten Klinischen Abteilung für Transplantationschirurgie. Nach den Operationen unterzogen sich beide Patienten einer umfassenden physikalischen Rehabilitation. Schon drei Tage nach der Transplantation wurde mit passiven Übungen begonnen, aktive Fingerübungen setzten nach vier Wochen ein. Für die sehr wichtige Immunsuppression wurde auf Erfahrungen in der Organtransplantation zurückgegriffen.

Positive Bilanz

Nach fünf Jahren ziehen die Innsbrucker Mediziner eine positive Bilanz. Bei beiden Patienten kam es im Laufe der Zeit zu milden bis mittelschweren Abstoßungsreaktionen, die aber jeweils erfolgreich behandelt werden konnten. Die Funktion der Hände erreicht Werte von bis über 60% von normalen Händen. Die Beweglichkeit nahm im ersten Jahr stetig zu und erreichte im dritten Jahr einen stabilen Zustand. Ähnliches gilt für die Schmerz- und Temperaturempfindlichkeit sowie die Greifkraft, die auch nach dem dritten Jahr noch zunahm. Ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg der Behandlung ist die Patientenzufriedenheit. „Insgesamt sind beide Patienten sehr zufrieden“, erklärt der Erstautor des Beitrags im American Journal of Transplantation, Dr. Stefan Schneeberger. „Von besonderer Bedeutung für beide Patienten war das Wiedererlangen der körperlichen Integrität, die ihnen von Prothesen nicht vermittelt worden war.“ Wichtig für die Wissenschaft ist heute vor allem der Langzeitverlauf: „Bisher konnten keine Zeichen einer Funktionsverschlechterung oder einer chronischen Abstoßung beobachtet werden“, so Dr. Schneeberger. „Die Handtransplantation stellt zum jetzigen Zeitpunkt eine therapeutische Option für sehr genau ausgewählte Patienten dar. Auch wenn noch keine endgültige Aussage über Langzeitergebnisse getroffen werden kann, rechtfertigen bisherige Beobachtungen und insbesondere auch das Ausbleiben von Hinweisen für das Auftreten einer chronischen Abstoßung die Fortführung unseres Programms für Handtransplantationen“, erklärt Klinikvorstand Prof. Margreiter.

Alltagstätigkeiten wieder möglich

In den letzten sieben Jahren wurden weltweit in neun Zentren 24 Hände oder Unterarme transplantiert. Die Eingriffe haben sich dabei trotz anfänglicher Skepsis als durchführbar erwiesen. Nach durchschnittlich fünf Jahren sind alle Patienten am Leben und nur in zwei Fällen musste eine transplantierte Hand aufgrund von Komplikationen wieder abgenommen werden. Als größtes Problem erweisen sich akute Abstoßungsreaktionen. Allerdings bietet die Hand hier gegenüber inneren Organen den Vorteil, dass Abstoßungsreaktionen vor allem die Haut betreffen und damit direkt „beobachtet“ und entsprechend schnell behandelt werden können. Als Erfolg werten die Wissenschaftler, dass sich die Handfunktion bei allen Patienten gut entwickelt und diese die meisten Tätigkeiten des Alltags verrichten können.

Publikation: Status 5 years after bilateral hand transplantation. Schneeberger S, Ninkovic M, Piza-Katzer H, Gabl M, Hussl H, Rieger M, Loescher W, Zelger B, Brandacher G, Ninkovic M, Bonatti H, Boesmueller C, Mark W, Margreiter R. Am J Transplant. 2006 Apr;6(4):834-41. http://dx.doi.org/10.1111/j.1600-6143.2006.01266.x

Kontakt:
Dr. Stefan Schneeberger
Universitätsklinik für Chirurgie und
Daniel Swarovski Forschungslabor
Medizinische Universität Innsbruck
Tel: +43 512 504 80823
Fax: +43 512 504 22605
e-mail: stefan.schneeberger@uibk.ac.at

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